Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
nagender Hunger und sein Verlangen, Bess zu sehen, verblassten angesichts des Schmerzes über diesen Verlust. Drei Jahre waren seit Falkirk vergangen, und er sah die Szene immer noch vor sich, als wäre es gestern gewesen – das bis zum Hals in einem Moor versunkene Pferd seines Vaters und den von einem schottischen Speer durchbohrten Earl, der aus dem Sattel glitt und vom Morast verschlungen wurde. Eiserne Entschlossenheit durchflutete Humphrey wie eine heiße Welle. Er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um Edward zu helfen und zu verhindern, dass John Balliol auf den Thron zurückkehrte und die Schotten wieder ein eigenes Königreich erhielten.Wenn sie zuließen, dass das geschah, wären alle Opfer umsonst gewesen. Mit dieser Aussicht konnte er nicht leben.
Er nickte den Wachposten am Eingang des Bauwerks zu, das die Gefangenen und die Beute aus Turnberry beherbergte, und stieg die zur Brustwehr hinaufführende Außentreppe hoch. Die Festung war die Vorstufe zu dem steinernen Bollwerk, in das der König sie mit Hilfe der Trümmer der auf dem letzten Feldzug zerstörten alten Burg Lochmabens zu verwandeln gedachte. Von der Brustwehr aus bot sich Humphrey ein umfassender Blick über das umliegende Land. Die provisorische Burg thronte auf einem Felsvorsprung, der in einen See hineinragte. Ein Vogelschwarm flog tief über die Wasseroberfläche hinweg; die Spiegelbilder der Tiere glitten unter ihnen dahin. Auf der Landseite erstreckten sich Wälder bis zu der Ruine der alten Burg, des ehemaligen Heims der Familie Bruce. Ihr Bergfried glich einem abgebrochenen steinernen Zahn, der sich von dem violetten, mit Wölkchen betupften Himmel abhob.
Auf dem Fußweg stand eine junge Frau in einem silbrig blauen Gewand und blickte über den See. Ein mit Perlen besetztes Netz bedeckte ihr Haar. Bei ihrem Anblick spielte ein Lächeln um Humphreys Lippen, und seine Stimmung hob sich.
Bess drehte sich um. »Du bist spät dran.«
»Ich war bei deinem Vater.« Humphrey blieb ein paar Schritte vor ihr stehen. Er sehnte sich danach, sie zu küssen, war sich aber der Gegenwart der Wächter hinter ihm auf der Brustwehr bewusst. Er war der Konnetabel von England, sie die Tochter des Königs – der Anstand musste gewahrt werden.
Bess teilte derartige Bedenken nicht. Sie trat zu ihm und schlang die Arme um seinen Hals. Wie alle Kinder Edwards war sie hochgewachsen, fast so groß wie Humphrey, sie musste den Kopf nur leicht zurücklegen, um ihm in die Augen sehen zu können. »Es sei dir verziehen.«
Ihre Lippen streiften zart die seinen, woraufhin Humphrey die Wachposten vergaß, Bess an sich zog und sie leidenschaftlich küsste. Sie erwiderte den Kuss, und einen Moment lang versanken beide in ihrer eigenen Welt aus atemloser Begierde. Dann löste sich Humphrey von ihr und blickte in ihre hellgrauen, von einem violetten Ring umgebenen Augen. Das kastilische Erbe von Königin Eleanor fand sich in ihrer schönen schwarzhaarigen Tochter wieder. Er lächelte sie an, doch die fehlende körperliche Nähe bewirkte, dass seine Gedanken wieder zu der Enthüllung des Königs zurückkehrten.
Bess berührte seine Wange. »Eben ist eine Wolke über dein Gesicht gezogen, Liebster. Was ist passiert?«
»John Balliol ist freigelassen worden.« Humphrey ging die Brustwehr entlang, Bess an seiner Seite. Sie umrundeten die Festung bis zur Landseite, wo die Wälder ein dunkles, windgepeitschtes Meer bildeten. »Der König von Frankreich droht damit, die Gascogne auch weiterhin besetzt zu halten, wenn dein Vater nicht einem Waffenstillstand mit Schottland zustimmt.«
Bess nickte. »Ich habe Vater mit Bischof Bek darüber sprechen hören.« Als Humphrey abrupt stehen blieb, lehnte sie sich neben ihm gegen die Brustwehr. »Er glaubt, Balliols in dem Vertrag vereinbarte Überstellung nach Frankreich bedeutet, dass Philipp das alles von langer Hand geplant hat. Jetzt, wo der Krieg vorüber ist, sieht es so aus, als wolle der französische König sein altes Bündnis mit Schottland wieder aufleben lassen und meinen Vater zwischen zwei Fronten einschließen.«
Humphrey wunderte sich ein Mal mehr über die Selbstverständlichkeit, mit der sie trotz ihrer Jugend über politische Angelegenheiten sprach. Mit ihren neunzehn Jahren war Bess sechs Jahre jünger als er und genauso alt wie die neue Frau ihres Vaters. Er fragte sich, ob sie in der Halle ihres ersten Mannes, des Grafen von Holland, solchen Diskussionen gelauscht hatte, aber die beiden waren
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