Krieger des Lichts: Ungezähmte Liebe (German Edition)
hatte. »Wir kommen hier raus, Mel.« Doch im Grunde war er sich gar nicht so sicher, und ihr Blick sagte ihm, dass sie es wusste und ihm beipflichtete.
»Zu schade, dass du dich nicht in einen Vogel verwandeln kannst«, sagte sie leise, ehe sie sich zur nächstbesten Wand drehte, dagegen trat, drückte und mit den Händen über den Stein fuhr, als suchte sie nach irgendwelchen Vorsprüngen, um vielleicht hinaufklettern zu können.
Er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie noch immer unter Schock stand, doch sie riss sich zusammen, und er bewunderte sie dafür.
Er kam an ihre Seite und suchte ebenfalls nach einem lockeren Stein oder einem Weg nach draußen. Doch es bewegte sich nichts, und die Mauer war zu glatt, um daran nach oben klettern zu können. Wut kochte allmählich in ihm hoch, während zugleich seine Verzweiflung wuchs. Plötzlich hörte er ein leises Knurren, das sich seiner Kehle entrang, und er fürchtete, dass seine Krallen und Reißzähne gleich herausschießen könnten.
Verfluchter Mist!
Er musste sich unter Kontrolle bringen, sonst würde er Melisande am Ende vielleicht noch etwas antun, statt sie zu beschützen.
Während sie hilflos auf die Steinwände einschlugen und ein Entkommen mit jeder Minute immer unwahrscheinlicher erschien, kämpfte Melisande gegen die Panik an, die sie erneut zu überwältigen drohte. In den Abgründen ihres Verstandes wurden die Schreie immer lauter, sie wollten hervorbrechen, doch Melisande drängte sie zurück und versuchte fieberhaft, eine Mauer zu errichten. Sie hätte sie auch gern in eine Kiste gesperrt … Hauptsache, all diese Emotionen blieben unter Verschluss. Wie hatte sie es nur jemals geschafft, dem Ansturm so vieler Gefühle standzuhalten?
Nach und nach gelang es ihr, die Emotionen in ihre imaginäre Kiste zu sperren, und dann betete sie im Stillen, dass sie auch dort drinblieben, denn sie wusste nicht, wie sie ansonsten auch nur einen klaren Gedanken fassen sollte. So, wie es aussah, hatte sie mehr als genug am Hals, womit sie fertig werden musste. Mit den Emotionen überschwemmten sie auch ihre Erinnerungen in einer wahren Flut. Furchtbare Erinnerungen voller Schmerz und Trauer. In unverminderter Stärke, selbst nach all den Jahrhunderten.
Die völlige Emotionslosigkeit hatte es ihr erlaubt, stark zu sein, unglaublich stark. Sie war in der Lage gewesen zu tun, was getan werden musste, um ihre Königin und ihre Rasse zu beschützen. Gefühle – Mitgefühl, Zuneigung, Erbarmen – hätten ihr da nur im Wege gestanden. Sie wollte nicht die Frau von einst sein … weichherzig, schwach . Ihr gefiel die Rolle der Kriegerin, ihr gefiel es, dass das Geschehen um sie herum sie emotional unberührt ließ.
Nun waren die Gefühle in all ihren schrecklichen Facetten wieder da. Die meisten zumindest. Doch sobald sie Castin gefunden hatte, würde sie ihre Kaltherzigkeit wieder zurückgewinnen. Solange sie es Fox nicht erlaubte, sie noch weicher werden zu lassen.
Sie beobachtete, wie er auf die Steinwand einhämmerte, dann Anlauf nahm und sich mit voller Wucht mit der Schulter dagegenwarf. Als ein Knochen splitterte, verzog er das Gesicht, kehrte jedoch an den Ausgangspunkt zurück und nahm erneut Anlauf. Immer und immer wieder warf er sich gegen die Wand, bis sein Hemd voller Blut war und die Laute, die er ausstieß, eher nach einem Tier als nach einem Mann klangen.
Plötzlich wirbelte er zu ihr herum. Reißzähne schossen aus seinem Oberkiefer, und seine Augen verwandelten sich in gelbe Tieraugen.
»Fox?«
Sie musste schlucken, als sie sein Furcht einflößendes Gesicht erblickte. Sie war mit diesem unberechenbaren Mann zwischen Steinmauern eingesperrt, einem wild gewordenen Krieger des Lichts, der das unbändige Verlangen verspürte, etwas zu zerstören. Und außer ihr gab es momentan nichts anderes in seiner Reichweite.
Als sie sah, wie Zorn und Streitlust in seinem Blick miteinander rangen, regte sich ihre alte Gabe: das Bedürfnis, die Qualen anderer zu lindern. Das letzte Mal, als sie dies verspürt hatte – als Fox im Wald wild geworden war –, hatte sie die Gabe einfach ignoriert. Sie wehrte sich dagegen, sie heraufzubeschwören, schließlich wollte sie ihre Gefühle erneut zurückdrängen und wieder die unbarmherzige Kriegerin werden, die sie so lange Zeit gewesen war.
Aber anscheinend hatte sie nun keine andere Wahl mehr. Diesmal war Jag als Gegner nicht verfügbar, und ein außer Kontrolle geratener Gestaltwandler war das Letzte,
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