Krieger des Lichts: Ungezähmtes Herz (German Edition)
spürte, wie sie inmitten einer kühlen nächtlichen Brise von starken Armen hochgehoben wurde. Sie blinzelte beim Anblick der unbekannten Umgebung mit dichten Wäldern, durch die hier und da das frühe Licht der Morgendämmerung drang. Als sie Kougars Geruch wahrnahm, kam die Erinnerung auf einen Schlag zurück: die Begegnung in ihrem Haus, wie er ihr die Mondsteinmanschette abgenommen hatte … Hookeye . Ihr Herz begann zu rasen. Der Zauberer, den sie Hookeye nannte, wusste nun, dass sie noch lebte.
Da er sie trug, schloss Kougar die Tür des teuer aussehenden Sportwagens mit der Hüfte. Ihre Handgelenke waren mit Isolierband zusammengeschnürt, wodurch zweifellos verhindert werden sollte, dass sie an ihren Armreif kam und sich wieder davonmachte.
Von dem Moment an, als sie ihn in der Großen Halle hatte stehen sehen, war ihr klar gewesen, dass seine Rückkehr in ihr Leben eine Katastrophe heraufbeschwören würde. Doch sie hätte nie gedacht, dass es so schnell passieren könnte.
Heilige Göttin, sie musste Melisande und die anderen warnen!
»Kougar, lass mich runter«, befahl sie und blickte auf die harten Züge seiner finsteren Miene. »Lass mich gehen. Meine Kriegerinnen sind in Gefahr!«
»Hast du dich in Nebel verwandelt?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann sind sie in Sicherheit. Ist das nicht genau das, was du sagtest?«
»Es gibt keine Sicherheit dafür.« Doch er hatte recht. Die größere Gefahr bestand darin, dass Hookeye noch mehr Gift in die Paarbindung strömen ließ. Irgendwann wäre es zu viel, als dass sie es noch kontrollieren könnte.
Sie schloss die Augen vor der Angst, die sie zu überwältigen drohte, um sie gleich darauf mit einem bebenden Atemzug wieder zu öffnen. Alles, was sie tun konnte, war durchzuhalten und sich gegen die Giftattacke zu wehren, wenn und falls sie überhaupt käme. Sie musste sich mit aller Kraft dagegen zur Wehr setzen – bis zuletzt. Sie hatte nicht so lange durchgehalten, um jetzt aufzugeben.
Als Kougar sie über eine breite Auffahrt trug, die von Autos gesäumt wurde, fiel ihr Blick auf ein Haus, das wie ein Monster vor ihr aufragte. Nein, kein Haus. Eine Villa mit Gauben im Dachgeschoss und schwarzen Läden an jedem Fenster. Obwohl es noch gut eine halbe Stunde bis Sonnenaufgang war, schien Licht aus jedem der unteren und einigen der oberen Fenster – drei Etagen Backsteingebäude, erleuchtet wie ein Gefängnis nach einem Ausbruch.
Ein Gefängnis voller gestaltwandelnder Krieger des Lichts.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und im Nacken brach ihr der Schweiß aus. Niemand außer Kougar wusste, dass die Ilinas noch existierten. Nun war er kurz davor, dieses Geheimnis vor aller Welt preiszugeben.
Wenigstens hatte er sich vor ihrer Entführung noch die Zeit genommen, sie in eine Jeans und ein passendes rotes T-Shirt aus ihrem eigenen Kleiderschrank zu stecken. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte er sogar einen BH gefunden.
Am Fuße der Treppe zur Eingangstür, die anderthalbmal so breit wie die meisten und gute zwei Meter fünfzig hoch war, stellte Kougar sie auf ihre nackten Füße und packte ihren Arm.
Sie wehrte sich gegen ihn, als er versuchte, sie hinter sich herzuziehen. »Kougar, nein. Lass mich zu ihnen, lass mich mit eigenen Augen sehen, dass es ihnen gut geht. Dann komme ich zurück.«
Er gab ihr keine Antwort, was Antwort genug war. Er traute ihr nicht.
Und er tat gut daran, es nicht zu tun. In dem Moment, wo sie freikam, wäre sie fort. Die Krieger würden versuchen, sie zu zwingen, sich in Nebel zu verwandeln und ihre Freunde zu retten, egal was für Folgen das für sie hätte. Wenn ihre Rasse dabei ausgelöscht wurde, wäre das einfach nur ein bedauerlicher Nebeneffekt.
Sie hatte genauso wenig einen Grund, ihm im Gegenzug zu trauen. Vor allem nicht seitdem der Dämonenkrieg die beiden Rassen zu Verbündeten gemacht hatte und keines der beiden Völker mit der Paarbindung zwischen ihr und Kougar einverstanden gewesen war. Sie hatte Kougar zwar geliebt, doch den anderen Gestaltwandlern mit Ausnahme seiner beiden engsten Freunde eigentlich nie getraut. Und mindestens einer von ihnen war nun tot. Das wusste sie. Nein, die Krieger würden nicht bekommen, was sie wollten. Um nichts in der Welt würde sie zulassen, dass sie die Ilinas opferten, um ihr eigenes Volk zu retten.
Kougar führte sie die Stufen hinauf und durch die breite Eingangstür in einen hohen Empfangssaal. Die Lichter eines großen Kristallkronleuchters brachten die
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