Kriegerin der Nacht
ihren Blick fest. »Ich habe dich in Aktion gesehen. Ich habe gestern Nacht mit Nissa und Winnie gesprochen. Und ich habe deinen Geist gesehen. Du machst nicht einfach einen Job. Du tust, was du tust, weil du es für richtig hältst. Und du bist ...« Er hielt inne, als suche er nach den richtigen Worten. Dann sprach er bedächtig weiter. »Du bist der Inbegriff der Ehre.«
Und du bist wahnsinnig, dachte Kelly. Sie musste jetzt wirklich weg. Das flaue Gefühl entwickelte sich zu einer schrecklichen Schwäche, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Und obwohl sie wusste, dass seine Worte absoluter Müll waren, konnte sie nicht anders, als ihm zuzuhören.
»Du ziehst eine gute Show ab«, sagte Galen, »aber in Wahrheit bist du mutig und hilfsbereit und grundanständig. Du hast einen eigenen Kodex und würdest ihn niemals brechen. Und jeder, der dich kennt, sieht das. Weißt du nicht, was dein Team über dich denkt? Du hättest ihre Gesichter sehen sollen - und das von Iliana -, als sie dachten, du wärst in diesen Trümmern gestorben. Deine Seele ist so entschlossen wie ein Schwert und du hast mehr Ehre als jeder, den ich jemals kennengelernt habe.«
Seine Augen hatten die Farbe der ersten neuen Blätter im Frühling, zu denen man aufblickt, um das Sonnenlicht hindurchscheinen zu sehen. Kelly war eine Fleischfresserin und hatte sich nie viel aus Blumen oder anderen Pflanzen gemacht, aber jetzt erinnerte sie sich an eine Zeile aus einem Gedicht und sie gefror in ihrem Geist wie ein Blitz: Das erste Grün des Frühlings ist golden. Dies hier war die Farbe, die der Dichter meinte.
In solchen Augen konnte man ertrinken.
Er hielt sie wieder an den Armen fest. Er schien nicht aufhören zu können, nach ihr zu greifen, als sei sie eine Seele, die Gefahr lief, für immer verloren zu gehen.
»Dein Leben war so hart. Du verdienst es, dass dir jetzt gute Dinge widerfahren - nur gute Dinge. Ich wünschte ...« Er brach ab und eine Art Beben durchlief sein Gesicht.
Nein, dachte Kelly. Ich werde nicht zulassen, dass du mich schwach machst. Ich werde mir deine Lügen nicht anhören.
Aber das Problem war, dass Galen nicht log. Er war einer von diesen idiotischen, idealistischen Typen, die glaubten, was sie sagten. Eigentlich sollte es ihr gleichgültig sein, was er glaubte, aber sie stellte fest, dass es ihr nicht gleichgültig war. Es war ihr unglaublich wichtig.
Galen stand einfach nur da und sah sie mit Tränen in seinen Augen an, die wie Juwelen leuchteten.
Da zerriss etwas in Kelly. Und dann veränderte sich alles.
Zuerst konnte Kelly nicht verstehen, was geschah. In ihrer Panik dachte sie nur, dass sie sich selbst verlor. Dass sie ihre Rüstung verlor, ihre Härte, alles, was sie brauchte, um am Leben zu bleiben. Irgendein Teil von ihr tief in ihrem Innern schmolz, floss auf Galen zu.
Sie versuchte, diesen Teil zurückzureißen, aber es hatte keinen Sinn. Sie konnte ihn nicht aufhalten.
Wie unter Schock begriff sie, dass sie die Augen geschlossen hatte. Sie fiel, fiel - und es kümmerte sie nicht.
Etwas fing sie auf.
Sie spürte die Wärme von Armen um sie herum, Armen, die sie hielten. Sie spürte, dass sie sich in diese Arme lehnte, sich entspannte, dass sie ihnen erlaubte, einen Teil ihres Gewichts zu tragen, als kontrolliere jemand anderer ihren Körper.
So warm ...
Das war der Moment, in dem Kelly etwas Seltsames entdeckte. Dass man von Wärme schaudern konnte.
Ihm so nah zu sein, Galens Wärme und seinen festen Körper zu spüren und sich an ihm festzuhalten - ließ einen Schauder der Wonne durch sie hindurchrieseln.
Und dann spürte sie die wahre Verbindung.
Es war nichts Körperliches. Der Funke, der zwischen ihnen hin und her sprang, verband ihren Geist mit seinem. Es war ein Blitz des absoluten Verstehens.
Ihr Herz explodierte beinahe.
Du bist es. Die Stimme war in ihrem Geist, dieselbe Stimme, die sie am vergangenen Tag gehört hatte, als er versuchte, sie vor dem Drachen zu retten. Die Stimme war voller Erstaunen und Erkennen. Du bist es ... die Eine, nach der ich gesucht habe. Du bist die Eine ...
Und Kelly hätte ihm am liebsten gesagt, wie wahnsinnig das war - nur dass es genau das war, was sie selbst fühlte. Es war, als habe sie sich gerade umgedreht und sich unerwartet vor einer Gestalt aus einem ihrer Träume wiedergefunden. Einer Person, die sie instinktiv kannte, genauso wie sie ihren eigenen Geist kannte.
Ich kenne dich ebenfalls, erklang Galens Stimme wieder in ihrem Kopf.
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