Kriegerin der Nacht
irgendetwas. Der Wagen hatte Jaimie erreicht und schwenkte auf den Gehsteig.
Kellys Herz tat einen Satz.
Da schoss etwas hinter Jaimie hervor und traf sie von hinten.
Es schleuderte sie auf die grasbewachsene Insel zu. Aus dem Weg des Wagens.
Kelly wusste, um wen es sich bei diesem »Etwas« handelte, noch bevor ihre Augen das dunkelgoldene Haar und die langen Beine scharf wahrnahmen.
Der Wagen bremste und kreischte und beschrieb einen Bogen - aber Kelly konnte nicht erkennen, ob das Auto Galen erwischt hatte. Der Wagen schlitterte halb auf dem Gehweg, halb auf dem Asphalt. Dann korrigierte er seinen Kurs und donnerte die Einfahrt entlang, weg von der Schule.
Nissa kam unten durch die Tür gerannt, blieb für einen Moment stehen und nahm die Szene in sich auf.
Über ihr war Kelly noch immer erstarrt. Sie und Iliana standen beide reglos wie Statuen da.
Dann gab Iliana einen leisen Laut von sich und wirbelte herum. Sie rannte los, bevor Kelly sie daran hindern konnte.
Sie schoss an Winnie vorbei und hinterließ eine Spur aus fliegenden roten Tröpfchen.
»Hinterher!«, brüllte Kelly, und sie und Winnie rannten ebenfalls los.
Aber es war, als jagten sie einen Sonnenstrahl. Kelly hatte keine Ahnung, wie das kleine Ding so schnell rennen konnte.
Sie waren den ganzen Weg die Treppe hinunter direkt hinter ihr und folgten ihr zur Tür hinaus. Dort wollte Kelly sowieso hin.
Auf dem Pflaster lagen zwei Gestalten. Beide reglos.
Kellys Herz hämmerte so heftig, dass sie glaubte, es müsse ihr durch die Brust brechen.
Es war erstaunlich. Obwohl sie in ihrem Leben schon so viel gesehen hatte, verspürte sie immer noch den verzweifelten Impuls, die Augen zu schließen. Im ersten Moment, als ihr Blick über Galens Körper glitt, war sie sich nicht sicher, ob sie Blut sah oder nicht. Alles pulsierte von dunklen Flecken und ihr Gehirn schien außerstande, irgendein zusammenhängendes Bild herzustellen.
Dann bewegte er sich. Es war die steife, vorsichtige Bewegung einer Person, die verletzt war, aber nicht schwer verletzt. Er hob den Kopf, stützte sich auf einen Ellbogen und sah sich dann um.
Kelly starrte ihn wortlos an. Dann zwang sie ihre Stimme, ihr zu gehorchen. »Hat der Wagen dich erwischt?«
»Er hat mich nur gestreift.« Er rappelte sich halb hoch. »Mir geht es gut. Aber was ist mit...«
Beide sahen jetzt Jaimie an.
»Göttin!« Galens Stimme war voller Entsetzen. Er stand auf und humpelte ein paar Schritte, bevor er auf die Knie fiel.
Selbst Kelly spürte, wie eine Schockwelle über sie hinwegglitt, bevor sie begriff, was los war.
Auf den ersten Blick war alles eine furchtbare Tragödie. Iliana wiegte Jaimie in den Armen und überall war Blut. Überall auf Ilianas Kleidung, überall auf Jaimies hellem Mantel, wo es besonders grellrot leuchtete.
Aber es war Ilianas Blut, das ihr immer noch aus der zerschnittenen Hand floss. Jaimie blinzelte und griff sich verwirrt an die Stirn. Ihre Gesichtsfarbe sah gesund aus und ihre Atmung war regelmäßig, wenn auch schnell.
»Dieses Auto - diese Leute waren verrückt. Sie wollten mich überfahren.«
»Es tut mir leid«, sagte Iliana. »Es tut mir so leid, es tut mir so leid ...«
Sie war so schön, dass Kelly beinahe das Herz stehen blieb.
Ihre feine Haut wirkte im kühlen Nachmittagslicht beinahe durchscheinend. Das herrliche Haar kräuselte sich hinter ihr im Wind. Jede einzelne Strähne, die sich unabhängig bewegte, war so leicht wie Luft. Und ihr Gesichtsausdruck ...
Sie beugte sich so zärtlich über Jaimie und ihre Tränen fielen wie Diamanten auf ihre Freundin. Ihre Trauer - sie ist vollkommen , dachte Kelly. Als sei Jaimie ihre eigene liebste Schwester. Sie nahm auf eine Weise Anteil, die über Sympathie und Mitgefühl hinausging. Eine Art von perfekter Liebe.
Es … verwandelte sie. Sie war nicht länger ein unbeschwertes Mädchen. Sie war beinahe ... engelsgleich.
Urplötzlich verstand Kelly, warum alle in der Schule mit ihren Problemen zu diesem Mädchen kamen. Es lag an diesem Mitgefühl, dieser Liebe. Iliana half ihnen nicht, um sich beliebt zu machen. Sie half, weil ihr Herz offen war, ohne Schutzschild, ohne die üblichen Barrieren, die die Leute normalerweise voneinander trennten.
Und sie war so mutig wie ein kleiner Löwe. Sie hatte nicht einmal gezögert, als sie sah, dass Jaimie in Gefahr war. Sie hatte Angst vor Blut, aber sie hatte sich trotzdem sofort geschnitten, in dem verwegenen Bemühen, zu helfen.
Das ist echter Mut, dachte
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