Kriegerin der Nacht
kaum überraschend, wenn man bedachte, wie viele Male sie an diesem Tag zu Boden gerissen worden war, überlegte Kelly.
Iliana musste genäht werden. Sie ließ die Prozedur still über sich ergehen, was ihre Mutter zu erschrecken schien. Mrs Dominick war ins Krankenhaus gerufen worden. Sie saß mit Kleinkind Alex auf dem Schoß da und hörte zu, wie Kelly versuchte zu erklären, dass Iliana sich geschnitten hatte, während sie im Chemieraum am Fenster gestanden waren.
»Und als sie sah, dass der Wagen Jaimie beinahe überfahren hätte, hat sie sich so erschreckt, dass sie den Glasbecher einfach zerquetscht hat, und er ist zerbrochen.«
Ilianas Mutter wirkte für einen Moment zweifelnd, aber es lag nicht in ihrem Wesen, argwöhnisch zu sein. Sie nickte und akzeptierte die Geschichte.
Auch Jaimies Eltern hatte man ins Krankenhaus gerufen, und sowohl Galen als auch Jaimie mussten gegenüber der Polizei ihre Aussage machen. Nissa warf Kelly einen Blick zu, als die Polizistin fragte, ob sich irgendjemand das Nummernschild des Wagens gemerkt habe.
Kelly nickte. Sie hatte Nissa bereits beauftragt, dem Zirkel der Morgendämmerung von einem öffentlichen Telefon aus die Nummer durchzugeben, aber es bestand kein Grund, sie nicht auch der Polizei zu verraten.
Schließlich gab es die Möglichkeit - wenn sie auch sehr unwahrscheinlich sein mochte -, dass der Zwischenfall nichts mit der Nachtwelt zu tun hatte.
Jedenfalls würden von nun an Agenten des Zirkels der Morgendämmerung Jaimie und ihrer Familie folgen und sie unbemerkt beobachten - bereit zu handeln, falls die Nachtleute erneut auftauchen sollten. Es war eine standardmäßige Vorsichtsmaßnahme.
Sowohl Mr als auch Mrs Ashton-Hughes, Jaimies Eltern, kamen aus Jaimies Krankenzimmer, um in der Notaufnahme mit Galen zu sprechen.
»Sie haben unsere Tochter gerettet«, sagte ihre Mutter. »Wir wissen gar nicht, wie wir Ihnen danken sollen.«
Galen schüttelte den Kopf. »Wirklich, es ist einfach passiert. Ich meine, jeder hätte es tun können.«
Mrs Ashton-Hughes lächelte schwach und schüttelte den Kopf. Dann sah sie Iliana an.
»Jaimie sagt, sie hoffe, dass deine Hand schnell heilt. Und sie wollte wissen, ob du trotzdem noch zu der Geburtstagsparty am Samstagabend kommen wirst.«
»Oh ...« Für einen Moment wirkte Iliana verwirrt, als hätte sie die Party ganz vergessen. Dann hellte ihre Miene sich auf. »Ja, richten Sie ihr aus, dass ich kommen werde. Aber wird sie denn überhaupt dabei sein können?«
»Ich denke, ja. Der Arzt meinte, sie könne morgen nach Hause gehen, solange sie sich einige Tage schont. Und sie sagte, sie würde die Party auf keinen Fall versäumen, selbst wenn ihr der Kopf abfiele.«
Iliana lächelte.
Als sie alle nach Hause kamen, war es schon spät am Abend. Alle waren müde, selbst Klein-Alex - und Iliana schlief.
Mr Dominick kam aus dem Haus geeilt. Er war ein mittelgroßer Mann mit dunklem Haar und Brille, und er wirkte sehr ängstlich. Während Ilianas Mutter ihm alles erzählte, kam er zum Rücksitz des Wagens.
Aber es war Galen, der Iliana hineintrug.
Sie wachte nicht auf. Kaum überraschend. Der Arzt hatte ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben und Kelly wusste, dass sie in der vergangenen Nacht nicht viel geschlafen hatte. Sie lag wie ein vertrauensvolles Kind in Galens Armen, das Gesicht an seine Schulter gebettet.
Sie sehen ... sehr gut zusammen aus, dachte Kelly. Sie sehen richtig aus.
Winnie und Nissa eilten die Treppe hinauf und schlugen Ilianas Decke zurück. Galen legte sie sanft aufs Bett.
Dann stand er da und schaute auf sie hinab. Eine Strähne silbrig-goldenen Haares war ihr übers Gesicht gefallen und er strich sie bedächtig zurück. Diese eine Geste sagte Kelly mehr als alles andere.
Er versteht, dachte sie. Es ist genauso wie in diesem Augenblick, als sie ihn angesehen und urplötzlich entdeckt hat, dass er mutig und sanft und fürsorglich ist. Er versteht, dass sie sich geschnitten hat, um zu versuchen, Jaimie zu retten, und dass die Leute sie lieben, weil sie die Leute so sehr liebt. Und dass sie nie gemein oder gehässig sein könnte, selbst wenn sie es versuchte, und dass sie wahrscheinlich noch nie im Leben einer anderen Person etwas Böses gewünscht hat.
All das sieht er jetzt in ihr.
In diesem Moment kam Mrs Dominick herein, um zu helfen, Iliana auszuziehen. Galen verließ natürlich den Raum. Kelly bedeutete Winnie und Nissa zu bleiben, dann folgte sie ihm.
Diesmal war sie diejenige, die
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