Kriegerin der Nacht
klang sie seltsam angenehm. Und die Worte waren vollkommen verständlich.
»Was ... ist das?«, fragte Jaimie. Sie meinte Kelly.
Aber dann, bevor Iliana antworten konnte, fing Jaimie sich. Sie biss sich auf die Unterlippe, schaute für einen Moment zu Boden, wappnete sich dann und sah Kelly wieder an. Sie hatte Angst, ihr Körper schrumpfte in sich zusammen, aber diesmal sah sie Kelly direkt in die Augen.
»Was ... bist du?«
Kelly öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Jemand legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Hand war warm und übte kurz, nur für eine Sekunde, Druck aus. Dann wurde sie weggezogen, vielleicht als sei derjenige, der hinter ihr stand, von dem Fell abgestoßen worden.
»Sie ist ein Mensch«, erklärte Galen, während er sich neben Jaimie kniete. »Sie mag im Moment ein wenig anders aussehen, aber sie ist ebenso sehr ein Mensch, wie du es bist. Und du musst mir glauben, dass sie dir nicht wehtun wollte. Sie hat einen Fehler gemacht. Sie hat gedacht, du seist ein Feind, und sie hat reagiert.«
»Ein Feind?«
Galen musste irgendetwas an sich haben. Jaimie hatte sich beinahe in derselben Sekunde entspannt, in der er sich zu ihr gekniet hatte. Jetzt sprach sie ungezwungen mit ihm und ihre Hände flogen anmutig, während sie laut redete und ihre Worte betonte. Ihr Gesicht war hübsch, wenn es nicht gerade wegen Sauerstoffmangels blau anlief, bemerkte Kelly. »Wovon redest du? Was für eine Art von Feind? Wer seid ihr? Ich habe euch noch nie in der Schule gesehen.«
»Sie dachte - nun, sie dachte, du wolltest Iliana etwas antun. Es gibt einige Leute, die es auf sie abgesehen haben.«
Jaimies Gesicht veränderte sich. »Iliana etwas antun? Wer? Das sollten sie besser nicht einmal versuchen!«
Winnie hatte Kelly während dieses Wortwechsels Zeichen gegeben. Jetzt murmelte sie: »Boss ...«
»Es spielt keine Rolle«, sagte Kelly leise. »Nissa wird ohnehin ihr Gedächtnis löschen müssen.« In gewisser Weise war es ein Jammer, denn die Reaktion dieses Mädchens auf die Nachtwelt war eine der vernünftigsten, die Kelly je erlebt hatte. Aber es ließ sich nicht ändern.
Kelly sah Iliana nicht an, während sie das sagte; sie wusste, dass noch eine Auseinandersetzung folgen würde. Aber bevor sie begann, wollte sie noch etwas loswerden.
»Jaimie?« Sie bewegte sich und erhielt sofort Aufmerksamkeit. »Es tut mir leid. Wirklich. Es tut mir leid, dass ich dir Angst gemacht habe. Und es tut mir wirklich leid, falls ich dir wehgetan haben sollte.« Sie stand auf und wartete nicht ab, ob ihr verziehen wurde. Welchen Unterschied machte es schon? Was geschehen war, war bereits geschehen, und was nun passieren würde, war unvermeidlich. Sie erwartete keine Verzeihung, und es kümmerte sie nicht.
Das war zumindest das, was sie sich selbst sagte.
Iliana erhob Einwände. Kelly versuchte, Jaimie nicht allzu viel davon mitbekommen zu lassen, denn das würde sie nur noch mehr verängstigen und unglücklich machen, und das Ende war trotzdem unausweichlich. Es wäre nicht nur für Iliana, sondern auch für Jaimie gefährlich gewesen, ihr die Erinnerung zu lassen.
»Für einen Menschen bedeutet es den Tod, etwas über die Nachtwelt zu erfahren«, sagte Kelly entschieden. »Und es ist schlimmer als der Tod, wenn der Drache und seine Freunde denken, sie hätte irgendwelche Informationen über die Wilde Macht. Du willst gar nicht wissen, was sie tun werden, um es aus ihr herauszuholen, Iliana. Ich garantiere dir, dass du es nicht wissen willst.«
Und schließlich gab Iliana nach, so wie Kelly es von Anfang an erwartet hatte. Nissa trat wie ein Wispern und ein Schatten hinter Jaimie hervor und berührte sie an den Seiten ihres Halses.
Obwohl in Sachen Gehirnwäsche Hexen die Experten waren, um neue Ideen und Überzeugungen einzupflanzen, waren Vampire die Besten, wenn es darum ging, das Gedächtnis eines Menschen vollkommen zu leeren. Sie benutzten keine Zauber. Es war etwas, womit sie geboren wurden, die Macht, ihr Opfer in Trance zu versetzen und Stunden oder sogar Tage aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Jaimie schaute vielleicht siebzig Sekunden lang in Nissas silbrig braune Augen, dann schloss sie ihre eigenen blauen Augen und ihr Körper erschlaffte. Galen fing sie auf, als sie fiel.
»Sie wird in einigen Minuten wieder aufwachen. Es ist wahrscheinlich das Beste, wenn wir sie hierlassen und gehen«, schlug Nissa vor.
»Die Mittagspause ist ohnehin vorbei«, sagte Kelly. In den stillen Minuten
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