Kriegerin der Nacht
während Jaimies Hypnotisierung hatte Kelly es endlich geschafft, ihren Körper davon zu überzeugen, dass keine Gefahr drohte. Erst dann konnte sie sich weit genug entspannen, um sich zurückzuverwandeln.
Ihre Ohren knickten ein, ihr Schwanz zog sich zurück. Ihr Fell wurde zu Overall und Haut. Sie blinzelte zweimal und bemerkte den Unterschied in der Helligkeit, während ihre Pupillen sich veränderten und die Spitzen ihrer Reißzähne zu gewöhnlichen Zähnen schmolzen.
Sie ging ein paar Schritte und bewegte die Schultern, um sich wieder an den menschlichen Körper zu gewöhnen.
Die Stimmung war gedämpft, während sie Iliana in die nächste Unterrichtsstunde begleiteten. Die Stillste von allen war Kelly.
Sie hatte überreagiert, hatte ihren animalischen Sinnen gestattet, sie in Panik zu stürzen. Es war nicht das erste Mal in ihrem Leben passiert. Das erste Mal in ihrem Leben war es passiert, als sie ungefähr drei war ... aber es war besser, nicht daran zu denken. Wie auch immer, es war auch nicht das erste Mal in ihrer Karriere als Agent für den Zirkel der Morgendämmerung gewesen.
Ein Agent musste in jedem Augenblick mit allem rechnen. Er brauchte einen Radar vorn, hinten und an allen Seiten, zu jeder Zeit, und er musste darauf vorbereitet sein, beim geringsten Reiz instinktiv zu reagieren. Und wenn das dann manchmal zu Fehlern führte - nun, es rettete andererseits auch Leben.
Und es tat ihr nicht leid. Wenn sie das Geschehen zurückdrehen könnte, würde sie wieder so reagieren. Besser, ein nettes braunhaariges Mädchen wurde erschreckt, als dass Iliana verletzt wurde. Besser, dachte Kelly mit trostlosem Trotz, ein einziges nettes braunhaariges Mädchen wurde getötet, als dass Iliana dem Feind in die Hände fiel. Iliana repräsentierte die Zukunft der gesamten Tagwelt.
Aber ...
Vielleicht wurde sie langsam zu alt für diese Art von Job. Oder vielleicht zu nervös.
Iliana saß betrübt in ihren Nachmittagskursen, wie eine Elfe, die ihre Blume verloren hatte. Kelly bemerkte, dass Winnie und Nissa jetzt noch wachsamer waren - nur für den Fall, dass ihr Boss abgelenkt war. Sie warf ihnen einen sarkastischen Blick zu.
»Wartet ihr darauf, dass ich nachlässig werde?« Sie stieß Nissa in die Rippen. »Verlass dich nicht darauf.«
Sie lächelten und wussten, dass Kelly ihnen gerade ihren Dank ausgesprochen hatte.
Und Galen ...
Kelly wollte nicht über Galen nachdenken. Er saß in jeder Unterrichtsstunde still, aber aufmerksam da und sie konnte erkennen, dass er seine Sinne ausdehnte. Er versuchte nicht, mit ihr zu sprechen, sah sie nicht einmal an. Aber Kelly bemerkte, dass er sich immer wieder mit der Hand über seine Jeans strich.
Und sie erinnerte sich daran, wie er die Hand von ihrer Schulter genommen hatte. Als habe er etwas Heißes berührt.
Oder etwas Abstoßendes ...
Kelly knirschte mit den Zähnen und starrte mit trockenen, brennenden Augen in verschiedenen Räumen auf verschiedene Tafeln.
Als es endlich zum letzten Mal läutete, ließ sie die ganze Gruppe im Chemieraum abwarten, während die Schule sich leerte. Iliana verfolgte das Geschehen und schäumte leise vor sich hin, während all ihre Freunde ohne sie aufbrachen. Selbst der Lehrer packte seine Sachen und verschwand.
»Können wir jetzt gehen?«
»Nein.« Kelly stand an dem Fenster im ersten Stock und schaute nach unten. Okay, ich bin also ein Tyrann, dachte sie. Ein gemeiner, unsympathischer, Peitsche schwingender Diktator, der unschuldige Mädchen anspringt und Leute nicht aus der Schule lässt. So bin ich eben.
Iliana erhob keine Einwände. Sie stand einige Schritte entfernt starr da und schaute ebenfalls aus dem Fenster, ohne Kellys Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen.
Schließlich sagte Kelly: »In Ordnung. Nissa, hol den Wagen.«
Galen meldete sich zu Wort. »Ich werde das übernehmen.«
Die Antwort darauf war natürlich: »Auf keinen Fall!« Aber Galen ging weiter.
»Es ist etwas Nützliches, das ich tun kann. Ich habe den ganzen Tag herumgestanden und mir gewünscht, ich wäre in irgendetwas ausgebildet. Zumindest kann ich ein Auto fahren. Und wenn mich jemand verfolgt, kann ich schnell rennen.«
Die Antwort darauf war immer noch ein Nein. Aber Kelly konnte sich nicht dazu überwinden, es auszusprechen - weil sie sich nicht dazu überwinden konnte, eine lange Debatte mit ihm zu führen. Sie hatte Angst vor dem, was sie in den Tiefen dieser grüngoldenen Augen möglicherweise sehen würde.
Wäre es nicht komisch,
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