Kriegerseelen
»Zu Befehl Sir.« Wie ein Eisblock stand er da und rührte keinen Muskel. Dass es in ihm brodelte, wusste nur er selbst. Er machte sich große Sorgen um Juno. Als Prokojev noch ein Stück näher an ihn herantrat, begann die Haut des Kriegers leise zu knistern. Die innere Erregung und Unruhe, die er verspürte, ließ eine gewaltige Ladung Strom über seinen Körper fließen. Wer ihn jetzt berührte, war schneller tot, als er denken konnte. Prokojev spürte das Prickeln und zog sich zurück. Dann fiel sein Blick auf Valentin. »Gibt es etwas Neues über den Mord in der Krankenstation?« Vals Augen zuckten für einen Sekundenbruchteil zu Tristan. Der erwiderte seinen Blick, jedoch ohne jegliche Gefühlsregung. Aber irgendetwas hielt den Krieger mit dem Mal in Form einer Träne, davon ab, seinen Verdacht kundzutun. »Keine Neuigkeiten, Sir.« Seine Antwort war knapp und diesmal reagierte Tristan mit einer hochgezogenen Augenbraue. Er hatte den Befehl erteilt Eve heraufzubringen, doch sie war ebenso unauffindbar, wie ihre Tochter.
Prokojev knurrte wütend. »Wofür habe ich euch erschaffen zur Hölle? Ihr seid allesamt Schlappschwänze. Bis spätestens morgen bringt ihr mir den Schuldigen.« Er war außer sich vor Zorn. Sein Designeranzug und die Rolex am Handgelenk konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein gnadenloser Diktator war. Seine Stadt. Seine Bewohner. Seine Krieger. Was er sagte, war Gesetz. Das Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzerrt, drehte er sich um und verließ den Raum.
»Warum hast du geschwiegen?« Tristan sah seinen Freund fragend an. Der zuckte mit den Schultern und antwortete gleichgültig. »Ich habe keine Ahnung, aber ich denke, wir sollten zuerst darüber reden. Schließlich hat das ja alles mit Juno zu tun. Oder nicht?«
Jay und Tyron hatten die Auseinandersetzung mit dem Boss stumm verfolgt. Sie waren ebenso erstaunt wie ihr Captain, dass Valentin nichts über Junos Mutter Eve gesagt hatte. Doch die vier Männer waren ein Team. Keiner von ihnen würde auf die Idee kommen, den anderen in die Pfanne zu hauen. Zwar waren sie alle darauf konditioniert, ihrem Boss absolut ergeben zu sein. Doch sie hatten in den Monaten ihrer gemeinsamen Arbeit so etwas wie Loyalität füreinander entwickelt. Was Tristan dankbar zur Kenntnis nahm. Er sah seine Kameraden an. »Wir müssen Juno finden. Es gefällt mir zwar nicht, dass der Boss sie wie eine Gefangene hält, aber es gefällt mir noch weniger, dass sie anscheinend wie vom Erdboden verschluckt ist.« Seine Kameraden sahen das genauso. Juno war eine von ihnen. Prokojev würde sie hetzen, wie ein Raubtier seine Beute. Das konnte nicht gut gehen. »Wir können es nicht lange vor dem Boss geheim halten, dass Eve mit der Toten Kontakt hatte.« Valentin fuhr sich durch sein dichtes dunkelblondes Haar und sah seinen Kameraden nacheinander in die Augen. »Ich weiß«, presste Tristan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wenn ich nur wüsste, was wir tun sollen.« Zum ersten Mal in seinem Kriegerdasein war er wirklich ratlos. Er war dazu geschaffen, Befehle auszuführen. Man hatte ihm abtrainiert Schmerzen zu empfinden und aus ihm einen lautlosen gefährlichen Killer gemacht. Doch auf das, was jetzt in ihm vorging, hatte ihn niemand vorbereitet. Er konnte Junos Mutter Eve nicht seinem Boss ausliefern. Prokojev hatte grausame Vergeltung angekündigt und jeder, der ihn kannte, wusste, dass er Wort hielt. Es würde sie umbringen und sie würde ihm nie verzeihen. Eigentlich durfte er darauf gar keine Gedanken verschwenden. Befehl war Befehl. Doch wenn er an die Kriegerin dachte, spürte er ein dumpfes Pochen in seiner Brust. Obwohl ihm klar war, dass es nicht sein durfte, dass er sie niemals als Frau begehren durfte, wurde ihm mit einem Schlag klar, dass er sie um keinen Preis verraten würde. Valentin spürte, dass Tristan in großer Bedrängnis war, und machte sich Sorgen um seinen Kameraden. »Jay, Ty, ihr beide durchkämmt noch einmal das gesamte Gelände.« Damit wandte er sich zu seinem Freund um und räusperte sich. »Wir beide gehen nach unten in die Stadt. Vielleicht können wir dort etwas in Erfahrung bringen. Die beiden jüngeren Krieger machten sich auf, den Befehl zu befolgen. Doch sie wussten beide, dass sie auch bei der zweiten Durchsuchung nichts finden würden.
»Komm Kumpel, lass uns in Ondraka suchen.« Ohne auf Tristans Antwort zu warten, drehte er sich um und machte sich auf den Weg. Er wusste, sein Freund würde ihm
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