Kriegerseelen
hatten, Prokojev zu entfliehen.
Er fuhr mit den Fingern über den Schorf hinter seinem Ohr, der Stelle, wo Juno ihm das Ohr-Komm herausgeschnitten hatte. Seine Wundheilung war außergewöhnlich und er spürte nur noch ein leichtes Kribbeln. Es gab für sie beide kein Zurück mehr. Der Boss duldete keine Missachtung seiner Befehle. Juno würde er vielleicht verschonen, doch Tristan wäre der Tod sicher, sobald sie ihn aufspürten. Juno sah ihn durchdringend an. »Ich muss zurück, wenn sie meine Mutter haben, muss ich sie vor Alexejs Rache retten.«
Seine eisblauen Augen fixierten sie. Er spürte ihre innere Zerrissenheit, konnte das Bedürfnis, ihre Mutter zu retten, verstehen, aber der Teufel sollte ihn holen, wenn er zuließ, dass sie zurückging.
»Du kannst sie nicht retten. Du kannst nicht zurück. Es ist zu spät.«
Zornig blitzten ihre türkisfarbenen Augen und sie sprang auf. Die Hände in die Hüften gestemmt, funkelte sie ihn an.
»Ich kann es sehr wohl. Ich werde sie retten. Überlege es dir, entweder bist du dabei, oder ich mache es alleine.«
Er wusste, dass das was sie vorhatte, ein Selbstmordkommando war. Er knirschte mit den Zähnen und hätte sie am liebsten gepackt und geschüttelt. Einmal mehr verfluchte er seine Gabe, die ihn zu einem Leben verdonnerte, das er plötzlich nicht mehr wollte. Er würde alles dafür geben, wenn er diese wunderschöne Frau vor ihm berühren könnte. Er würde sie einfach festhalten und daran hindern, sich kopflos ins Verderben zu stürzen. Der Boss würde sie einsperren und anketten, wenn er sie in die Finger bekam. Der goldene Käfig, in dem sie bisher lebte, wäre Nichts gegen die goldenen Fesseln, die er ihr an Arme und Beine schmieden lassen würde. Prokojev wollte Menschen besitzen. Die Bewohner der unterirdischen Stadt und erst recht Juno. Ein herannahendes Geräusch ließ beide aufhorchen. »Scheiße. Eine Drohne.« Tristan entsicherte seine Laserwaffe. Geschmeidig pirschte er um die Biegung der Höhle und verharrte regungslos an den Felsen gepresst. Seine Augen suchten den Nachthimmel ab. Da. Noch in weiter Ferne, aber in stetigem Kurs auf ihren Unterschlupf zu, blinkte das Licht der Drohne. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden programmierte er die Waffe. Geduldig wartete er, bis der Falke näher kam und in der optimalen Schussentfernung war. Der Laserstrahl traf wie erwartet sein Ziel exakt und auch dieser Späher zerbarst in tausend Teile.
Juno war ganz nahe hinter ihn getreten. Er spürte ihren Atem an seinem Rücken. Ein paar Zentimeter näher, und elektrische Funken würden von ihm überspringen und ihr Schmerzen bereiten. Doch sie hatte keine Angst. Sie konnte das leise Knistern hören, und schreckte dennoch nicht zurück.
Als die letzten Teile verglühten, hörte er ihre leise, aber bestimmte Stimme. »Ich mache mich auf den Weg«, sie wehrte alle Einwände mit einer Handbewegung ab »Komm mit, oder lass es.«
Mit diesen Worten zwängte sie sich an ihm vorbei und begann den schwierigen Abstieg. Die Gummisohlen ihrer Stiefel gaben ihr Halt. Ebenso wie ihre Finger, die sich in die kleinsten Vorsprünge krallten. Sie war wieder ganz die Kriegerin. Leise fluchend folgte er ihr. Was hatte er schon für eine Wahl? Es gab nichts mehr zu verlieren, außer das eigene Leben und das wäre er ohnehin bereit für sie zu geben.
Die letzten Meter sprang Tristan und kam federnd auf dem trockenen staubigen Boden auf. Juno folgte ihm, und als sie neben ihm stand, blickte sie kampflustig auf. »Los, bis zum nächsten Steinhügel, ich wette, ich bin schneller als du.«
Bevor sie richtig zu Ende gesprochen hatte, sprintete sie bereits los. »Freche Göre«, murmelte er in sich hinein und gab ebenfalls Gas. Sie war schnell, sehr schnell. Anmutig griffen ihre schlanken Beine weit aus und und legten in Rekordgeschwindigkeit eine enorme Strecke zurück. Er dachte nicht daran, sie gewinnen zu lassen, deshalb trieb er seinen Körper zu maximaler Geschwindigkeit an. Beide waren trainierte Soldaten und ihr Puls erhöhte sich nur minimal, als sie schließlich gleichzeitig an dem Steinhügel ankamen, den Juno zum Ziel ihres Wettrennens ernannt hatte. Langsam brach sich die Finsternis an der Morgendämmerung. Es herrschte dieses Zwielicht, das es unmöglich machte Konturen, die weiter entfernt waren, scharf zu sehen. Doch die beiden Krieger hatten außer ihren individuellen Gaben auch eine ungewöhnlich gute Sehfähigkeit und ein außerordentlich feines
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