Kriegsgebiete
Mund. Der
Regen setzte zu spät ein, um seine Träume im Tresor noch zu
stören.
Mittwoch
Wie
jede Nacht: Afghanistan. Sven Kunz. Alexander Pöhlmann. Tot im
Dreck. Überall Blut. Körperteile, die man von dieser Seite
nicht sehen will. Warum war Kunz rausgerannt? Wollte er sich etwas
beweisen? Immerhin hatte er zwei Waffen in den Händen. Wie in
einem Achtzigerjahre-Actionfilm. Effektiv kämpfen kann man so
nicht. Und Pöhlmann war ihm gefolgt. Einem Bayern-Fan. Dumm. Wie
in einem Dokumentarfilm jede Nacht die gleichen Bilder. Der Traum
hielt sich an die tatsächlichen Vorkommnisse, bis Daniel von
einer MG-Salve getroffen wurde. Es war ein gehässiger Traum.
Daniel konnte die Einschläge spüren. Die Schmerzen. Er
wurde nach hinten katapultiert. Einen Moment schien er zu schweben,
bevor die Schwerkraft wieder unbarmherzig ihre Gesetzmäßigkeit
einforderte, aber ehe er auf dem Boden aufschlug, wachte Daniel auf.
Sofort
verbiss sich das Licht in den Augen. Reflexartig schloss Daniel die
Lider. Nasse Kleidung klebte an seiner Haut. Die Sonne hatte die
unbedeckten Körperstellen schon aufgewärmt. Gesicht und
Hände waren auf Betriebstemperatur. Der ganze Rest klamm und
unbeweglich. Vor allem das Hirn. Vorsichtig öffnete Daniel seine
Augen ein wenig. Gerade so weit, dass die Wimpern die
angriffslustigsten Sonnenstrahlen herausfiltern konnten. Mit halb
geöffneten Augen setzte sich Daniel auf. Das feuchte Ledersofa
schmatzte unter seinen Bewegungen. Im Sonnenlicht sah Daniel kleine
UFOs auf sich zukommen. Er öffnete die Augen ganz.
Löwenzahnsamen tanzte vor ihm in der Luft. Einer wurde von
seinem Atem angesaugt und verfing sich in einem Nasenloch. Daniel
musste niesen.
Daniel
schaute zum Fernseher, dann auf die Brennnesseln dahinter. Der Regen
tat ihnen gut. Daniel hatte Lust auf ein richtiges Frühstück.
Sein Magen knurrte. Eier mit Speck wären nicht schlecht, aber
der Kühlschrank war leer. Der Leichenfund hatte verhindert, dass
er im Supermarkt einkaufen war. Eigentlich sollte mir der Gedanke an
das tote Mädchen den Appetit verderben, dachte Daniel, aber
Hunger bleibt eben Hunger, da kannst du nichts dagegen tun. Ein
Geräusch ließ ihn herumfahren. Sofort war Daniel
kampfbereit. In einer Karate-Grundstellung stand er im feuchten Gras.
Kokutsu-Dachi. Fersen auf einer Linie, Gewicht auf dem hinteren Bein.
»Locker
bleiben, Mann.«
Maik
kletterte über den Gartenzaun. Daniel entspannte sich und ließ
sich wieder auf die Couch fallen. Das Leder schmatzte.
»Wo
kommst denn du her?«
Maik
setzte sich neben ihn.
Ȇber
den Bühneneingang. Du bist ein Medienstar«, sagte Maik.
»Ach
ja?«
»Vor
deinem Haus stehen drei Kamerateams und ein paar hysterische
Anwohner, die sich interviewen lassen.«
»Scheiße.«
»Was
sollen deine Nachbarn auch machen? Sonst ist nie was los in der
Straße und plötzlich haben sie die Chance, für zehn
Sekunden ins Fernsehen zu kommen.«
»Ich
will nicht ins Fernsehen.«
»Dein
Fernseher ist ja auch im Arsch. Schade drum.«
»Ich
werde auf keinen Fall ein Interview geben.«
»Dann
hast du ein Problem. Die ganze Fernsehnation wartet auf ein paar
voyeuristische Details von dir. Das Regionalfernsehen war schnell am
Tatort. Sogar N-TV berichtete über den Mord. Und noch ein paar
andere Sender.«
Daniel
spürte, wie die Kleidung auf seiner Haut trocknete.
Baumwollfasern, die mit Körpergewebe verschmelzen wollen.
»Warum
bist du eigentlich schon auf?«, fragte Daniel. »Ist doch
überhaupt nicht deine Zeit.«
»Ich
hab heute Nacht gearbeitet. Ein paar Platten online gestellt. Unter
anderem Iggy Pops The Idiot . Hundertachtzig Gramm Vinyl.
Neuer, unbenutzter und unbeschädigter Artikel in der
ungeöffneten Originalverpackung. Das bringt was. Der Typ, der
sie mir verkauft hat, hatte null Ahnung, was er da hergibt.«
»Glückspilz.«
»Ich
war todmüde und wollte ins Bett, aber zuerst hab ich noch die
Zeitung reingeholt. Dabei habe ich meine Nachbarin getroffen. Die war
wie immer bestens informiert. Jedenfalls besser als die Zeitung.
Vielleicht sollten die Kamerateams mal bei ihr vorbeifahren. Sie hat
mir gesteckt, dass du die Leiche gefunden hast. Stimmt doch, oder?«
»Ja,
stimmt.«
»Meine
Nachbarin hat ihren Morgenmantel so weit aufgemacht, dass eine Brust
fast heraussprang.«
»Du
meinst, das war Absicht?«
»Sie
hat es unbeabsichtigt aussehen lassen.«
»Sieht
sie gut aus?«
»Für
ihr Alter hat sie sich gut gehalten.«
»Na
dann. Ist doch eine eindeutige
Weitere Kostenlose Bücher