Kriegsgebiete
Einladung.«
»Du
kennst ihren Mann nicht. Der geht jeden Tag ins Fitness-Studio.«
»Dann
lass es lieber bleiben.«
»Ja,
aber dann hat sie ihren Morgenmantel …«
Maik
schüttelte lachend den Kopf. Er zündete sich eine Zigarette
an. Er hielt Daniel einladend das Päckchen hin.
»Ich
hab genug Tote gesehen, ohne wieder damit anzufangen.«
Maik
holte einen kleinen verchromten Reiseaschenbecher aus seiner
Jackentasche, in den er die Asche klopfte.
»Warst
du geschockt? Vom Leichenfund, meine ich.«
»Hm.«
Daniel
nickte.
»Kann
ich dir irgendwie helfen?«, fragte Maik.
»Nein.«
»Hast
du ein Fenster geöffnet, um einzusteigen, ohne dass dich die
Informations-Aasgeier sehen?«
»Schau
ich aus wie jemand, der sein Haus unverschlossen lässt?«
»Nein.
Du bist einer, der sein Haus verbarrikadiert, während er sein
Guerilla-Ding im Garten durchzieht.«
Maik
drückte die Zigarette im Reiseaschenbecher aus und schloss den
Deckel.
»Wenn
du willst, kannst du ein paar Tage bei mir wohnen.«
»Wegen
der Journalisten?«
»Wegen
allem.«
»Ich
werde mit meinem Therapeuten darüber reden. Über die Tote,
meine ich.«
»Willst
du mich beruhigen? Ich muss nicht beruhigt werden.«
»Doktor
Hamann ist nicht schlecht.«
Daniel
und Maik schauten noch eine Weile ohne zu reden auf den Fernseher und
die Brennnesseln.
Maik
stand auf.
»Du
weißt, wie du mich erreichst.«
Er
kramte in seinen Hosentaschen. Sie schienen riesig zu sein.
Schließlich hatte er gefunden, wonach er suchte.
»Hier.«
Maik
drückte Daniel einen AC/DC-Schlüsselanhänger mit zwei
Schlüsseln dran in die Hand.
»Haus
und Wohnungsschlüssel. Du bist bei mir jederzeit willkommen.
Auch wenn ich nicht zu Hause bin. Kannst dich auch jederzeit an den
Biervorräten im Kühlschrank bedienen. Musst bloß für
Nachschub sorgen.«
Beim
Versuch, über den Gartenzaun zu springen, blieb Maik mit einem
Fuß hängen und fiel kopfüber nach unten. Der frisch
gemähte Rasen des Nachbargartens konnte den Sturz kaum abfedern.
So schnell es ging, rappelte sich Maik wieder auf. Das Gras hatte
grüne Spuren auf seiner Stirn und der rechten Wange
hinterlassen. Mit einem Lächeln winkte er Daniel zu. Die
Handfläche war ebenfalls grün. Dem Lächeln konnte man
ansehen, dass es einige Überwindung kostete. Maik drehte sich um
und rannte los. Nach einigen Sekunden klirrte es heftig. Bestimmt
einer der Gartenzwerge, dachte Daniel. Er malte sich aus, wie Maiks
Slapstick-Einlage als YouTube-Video aussehen mochte. Ein Freak mit
schlechter Frisur, der erst über einen Zaun stürzt, bevor
ihm ein Gartenzwerg ein Bein stellt.
Daniel
betrachtete den AC/DC-Schlüsselanhänger in seiner Hand. Er
fühlte sich nach Freundschaft, nach Durch-dick-und-dünn-Gehen
und dem wahren Geist des Rock ’n’ Roll an.
Daniels
Mund war trocken. Desertifikation. Die Sahelzone hatte sich auf seine
Schleimhäute ausgeweitet. Das Schlucken fiel ihm schwer. Durst.
Wie nach einer durchzechten Nacht. Seit Melanie ihn verlassen hatte,
war Daniel nicht mehr wirklich betrunken gewesen. Ab und zu hatte er
ein Sixpack mit Maik niedergemacht, aber bei diesen Gelegenheiten
hatte sein Freund deutlich mehr getrunken. Maik war einfach nicht der
Typ, der ein Sixpack leiden sehen konnte. Obwohl er vergangene Nacht
nicht getrunken hatte, fühlte sich Daniel verkatert. Doktor
Hamann hatte ihm erklärt, dass Mundtrockenheit auch ein
Anzeichen von Depression sein konnte. Daniel fröstelte. Der Tod
hatte ihn in der Heimat erreicht. Dort, wo er ihn sich abgewöhnen
wollte.
Es
klingelte an der Haustür. Das Klingeln klang nah und fordernd.
Eines der Fenster musste doch gekippt sein. Langsam rutschte Daniel
von der Couch und ging auf dem Gras in die Knie. Seine Ellbogen
berührten den Boden. Er robbte nach vorn. Das feuchte Gras
machte seine Bewegungen geschmeidig. Bei den Brennnesseln richtete er
sich vorsichtig auf. Vor der Haustür stand eine attraktive
Rothaarige in einem petrolfarbenen Sechzigerjahre-Retro-Regenmantel.
Hinter ihr warteten in etwa zwei Metern Abstand der Kameramann und
ein pickliger Praktikant mit Mikrofon. Das Mikrofon sah viel zu groß
aus für den schmalen Körper in einem Ed-Hardy-T-Shirt,
während der durchtrainierte Körper des Kameramanns mit
seinem Arbeitsgerät verwachsen schien. Die Rothaarige klingelte
ein weiteres Mal. Daniel robbte zurück zur Couch, aber beim
Anblick des Flachbildschirms fühlte er sich nicht mehr sicher.
Geduckt rannte er zur Terrasse hinter dem Haus. Sofort
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