Kriegsgebiete
trägt er aber einen dicken
Anorak. Wahrscheinlich kann er sich den Ausflug leisten, weil er
reiche Eltern hat, denkt Daniel. Mit so was kann man Mädels
beeindrucken. Dieser Niklas hatte aber nicht wirklich Ahnung von
Frauen. Noch besser als Wale zu schützen käme auf jeden
Fall die Rettung eines Robbenbabys. Da muss man sich Bartträgern
mit Holzkeulen entgegenstellen. Archaisch. Mann gegen Mann. Anorak
gegen Anorak.
Benjamin.
Hat mit seinen Freunden im neu gegründeten Kunstkaufhaus ein
Che-Guevara-Musical aufgeführt, zu dem es das passende Essen
gab. Viel Chili natürlich. Und einen Zaubertrank, von dem die
Kongolesen, während Ches afrikanischem Abenteuer, geglaubt
hatten, dass er unverwundbar macht. Deshalb immer aus der Stellung
raus und von einer MG-Salve zersieben lassen. Oder ein Headshot. Ein
einzelner platzierter Schuss reicht auch. An Zaubertränke wird
Che nicht geglaubt haben. Deshalb ist er erst später in Bolivien
erschossen worden. Eigentlich ist Guerillakrieg traditioneller
Kriegsführung überlegen, aber wie immer, wenn man zu viele
Gefühle investiert … Als Musik gab es bei dem
Che-Guevara-Musical von einer Fusion-Combo aus jungen Rockern und
gealterten Jazzern eine Mischung aus Rock und Reggae, HipHop und
afrikanischer Musik. Also alles. Der Zaubertrank wurde von einer
ortsansässigen Brauerei hergestellt.
»Willst
du wissen, welcher Mann zu welcher Frau gehört?«, fragte
Maik.
»Ich
kann’s mir schon denken. Ich hab ja die Freunde-Liste bei
Facebook gesehen. Wusste gar nicht, dass es bei uns ein Kunstkaufhaus
gibt.«
»Du
musst mal wieder ankommen. Zurück aus dem Krieg. Zu Hause sein.«
»Mach
ich. Wenn das alles vorbei ist.«
»Du
solltest mit der Polizei reden. Wegen Afghanistan. Wegen der drei
Typen.«
»Wenn
du das im Internet rausfinden kannst, dann schafft das die Polizei
auch.«
»Vielleicht
wäre es gut, den Bullen einen Tipp zu geben, bevor sie selbst
draufkommen.«
»Vertraust
du mir?«
»Ja.«
»Sicher?«
»Was
hast du jetzt vor?«
»Keine
Ahnung. Natürlich erwartet man von einem wie mir immer einen
Plan. Von einem, der das Töten gelernt hat.«
»Sei
nicht sauer, weil ich das gesagt habe. Ich bin dein Freund.«
»Eine
Zeit lang sind die meisten Soldaten durch Unfälle und Friendly
Fire umgekommen. Bevor die Taliban wieder losgelegt haben. Hast du
noch ein Bier?«
Beim
Öffnen machte der Kühlschrank ein Geräusch, als hätte
er zu lange die Luft angehalten.
»Nicht
entkorken!«, rief Daniel. »Ich trink es zu Hause.«
Die
Bierflasche verströmte ihre feuchte Kälte in Daniels
Handfläche. Er hatte spontan Lust, sie sich an die Stirn zu
halten. Ein Kühlsystem wäre nicht schlecht fürs Hirn.
Er packte die Bierflasche in seinen Rucksack.
»Sag
mir, dass du es nicht warst.«
Alle
Leichtigkeit war aus Maiks Stimme verschwunden.
»Ich
war es nicht. Willst du deine Schlüssel zurückhaben?«
Daniel
holte den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche. Maik starrte auf
das Highway To Hell- Cover, das auf den Schlüsselanhänger
gedruckt war.
»Nein,
behalt sie ruhig. Ich glaube, du bringst mich nicht um.«
»Hoffentlich
hast du recht«, sagte Daniel und steckte die Schlüssel
wieder ein.
»Wer
war es dann?«, fragte Maik. »Hast du einen Verdacht?«
»Keine
Ahnung. Vielleicht die Scheißtaliban. Sie greifen uns zu Hause
an. Dort, wo wir verletzbar sind.«
»Warum
sollten die Taliban ausgerechnet die Freundinnen von drei Gegnern des
Afghanistan-Kriegs umbringen?«
Daniel
zuckte mit den Schultern.
»Hast
recht. Wahrscheinlich waren sie es nicht. Oder ein besonders perfider
Plan von al-Qaida, der einen traumatisierten Bundeswehrsoldaten als
Serienkiller denunzieren soll.«
»Du
meinst, das Ganze könnte so was wie Psychologische Kriegsführung
sein?«
»Klar.
Betreiben alle Seiten im Krieg. Weißt du, wie das die Nazis
nannten, wenn es gegen sie selbst gerichtet war?«
»Ich
bin in Geschichte nicht so gut wie du.«
»Wehrkraftzersetzung.
Ich finde, das ist ein tolles Wort, wenn man es ausspricht. Der Mund
ist unglaublich in Bewegung. Wehrkraftzersetzung.«
Daniel
schulterte den Rucksack. Die Musik aus dem Wohnzimmer hatte sich so
verlangsamt, als wollte sie ihr baldiges Verschwinden ankündigen.
Gehaucht die Textzeilen
I
pray my soul to keep
If
I die before I wake.
»Was
wirst du jetzt machen?«
»Schlafen.
Zumindest werde ich es versuchen.«
»Wenn
du mich brauchst, kannst du mich jederzeit anrufen.«
»Okay.«
Daniel
konnte Maiks Augen auf seinem
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