Kriegsklingen (First Law - Band 1)
entwickelten, aber er verstand nicht, nach welchen Regeln hier gespielt wurde. Er hatte Bayaz sein Vertrauen geschenkt, aus irgendeinem Grund, und er würde dabei bleiben müssen. Jetzt war es ein wenig zu spät, um die Seiten zu wechseln.
»Haben Sie nichts mehr zu sagen?«, drängte Sult. Er ließ sich langsam wieder in seinen Stuhl sinken und lächelte erneut. Seine Augen glitten zu den Türen, und Logen fühlte, wie die Maskierten vorrückten und danach gierten, endlich von der Kette gelassen zu werden. »Haben Sie keine Worte mehr? Keine weiteren Tricks?«
»Nur einen.« Bayaz fasste in den Ausschnitt seines Hemdes. Dort ergriff er etwas und zog es hervor – eine lange, dünne Kette. Eine der schwarz maskierten Gestalten trat einen Schritt vor und erwartete offenbar eine Waffe, und Logens Hand schloss sich fester um das Messer, aber als die Kette ganz ans Licht gekommen war, hing an ihr lediglich ein kleiner Stab aus dunklem Metall.
»Der Schlüssel«, sagte Bayaz und hielt ihn hoch ins Kerzenlicht. Er glänzte kaum. »Weniger hell funkelnd als in Ihrem Stück vielleicht, aber der echte, das kann ich Ihnen versichern. Kanedias hat nie mit Gold gearbeitet. Er mochte keine hübschen Dinge. Ihm gefielen solche, die einen Zweck erfüllten.«
Die Lippen des Erzlektors kräuselten sich. »Erwarten Sie, dass wir Ihnen das so einfach glauben?«
»Natürlich nicht. Es ist Ihre Aufgabe, allen mit Misstrauen zu begegnen, und ich muss sagen, Sie machen das ausgesprochen gut. Allerdings wird es nun doch sehr spät, daher werde ich bis morgen früh warten, um das Haus des Schöpfers aufzuschließen.« Irgendwo fiel ein Löffel auf den Boden und sprang klappernd über die Fliesen. »Es werden natürlich einige Zeugen erforderlich sein, um sicherzustellen, dass ich keine Mogeleien versuche. Wie wäre es mit …« Bayaz kühle grüne Augen sahen am Tisch entlang. »Herrn Inquisitor Glokta, und … vielleicht Ihrem neuen Turniersieger, Hauptmann Luthar?«
Der Krüppel verzog das Gesicht, als sein Name genannt wurde. Luthar sah völlig verwirrt aus. Der Erzlektor saß mit einer Miene da, in der die Verachtung versteinerter Ausdruckslosigkeit gewichen war. Starr sah er von Bayaz’ lächelndem Gesicht zu dem sanft hin und her schwingenden dunklen Metallstab und wieder zurück. Seine Augen glitten schließlich zu einem der Ausgänge, und er machte eine winzige Kopfbewegung. Die dunklen Gestalten verschwanden wieder in den Schatten. Logen hörte auf, seine schmerzenden Zähne zusammenzubeißen, und ließ das Messer leise wieder auf den Tisch gleiten.
Bayaz grinste. »Du meine Güte, Meister Sult, Sie sind wirklich schwer zufrieden zu stellen.«
»Meiner Meinung nach wäre
Euer Eminenz
wohl die passende Anrede«, zischte der Erzlektor.
»So ist es wohl, so ist es wohl. Ich merke schon, Sie werden keine Ruhe geben, bis ich nicht doch ein Möbelstück zerbrochen habe. Nun möchte ich nicht allen Anwesenden ihre Suppe verderben, also …« Mit einem plötzlichen Knall zerbarst der Stuhl des Erzlektors. Seine Hand schoss nach vorn und krallte sich in das Tischtuch, als er inmitten eines knirschenden Durcheinanders von Scheiten, die allenfalls noch als Feuerholz taugten, zu Boden ging und stöhnend zwischen den Trümmern liegen blieb. Der König erwachte mit einem Ruck, seine Gäste blinzelten und hielten den Atem an und starrten auf die Szenerie. Bayaz ignorierte sie.
»Das ist wirklich eine äußerst hervorragende Suppe«, sagte er und schlürfte geräuschvoll von seinem Löffel.
DAS HAUS DES SCHÖPFERS
Es war ein stürmischer Tag, und das Haus des Schöpfers stand kahl und finster da, ein großer dunkler Umriss, der sich gegen die zerzausten Wolken abhob. Ein kalter Wind pfiff zwischen den Gebäuden und über die Plätze des Agrionts und ließ Gloktas schwarzen Mantel flattern, als der Inquisitor hinter Hauptmann Luthar und dem angeblichen Magus hinterdrein schlurfte, begleitet von dem zernarbten Nordmann. Er wusste, dass sie beobachtet wurden.
Den ganzen Weg. Hinter den Fenstern, in den Hauseingängen, auf den Dächern.
Die Praktikalen waren überall, er konnte ihre Augen fühlen.
Halb hatte Glokta erwartet, halb gehofft, dass Bayaz und seine Kameraden über Nacht verschwunden sein würden, aber das waren sie nicht. Der alte Kahlkopf wirkte so entspannt, als sei er unterwegs, um einen Obstkeller aufzuschließen, und Glokta gefiel das gar nicht.
Wann hört diese Täuschung endlich auf? Wann streckt er endlich die Hände in
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