Kriegsklingen (First Law - Band 1)
hässliches Messer in der Hand hielt. Wo hatte er das so schnell her? Betrunken griff er nach seinem Degen.
»Major West!« Eine Stimme drang aus den Schatten auf die Straße. Jezal hielt unschlüssig inne, die Klinge halb herausgezogen. Jalenhorm kam taumelnd wieder auf die Füße. Seine Uniform war auf dem Rücken schlammverkrustet. Er zog seinen Degen. Das bleiche Monstrum starrte sie ohne zu blinzeln an und trat nicht einmal um eine Handbreit zurück.
»Major West«, sagte die Stimme wieder und war nun begleitet von einem klickenden, scharrenden Geräusch. West war bleich geworden. Eine Gestalt löste sich aus den Schatten; sie hinkte stark, und ein Stock tappte durch den Schmutz. Ein breitkrempiger Hut verdeckte den oberen Teil des Gesichts, aber der Mund war zu einem seltsamen Lächeln verzerrt. Mit einer plötzlichen Welle von Übelkeit erkannte Jezal, dass diesem Mann die vier Vorderzähne fehlten. Er schlurfte ihnen entgegen, ohne auf die gezogenen Klingen zu achten, und bot West seine freie Hand.
Der Major schob seinen Degen langsam wieder in die Scheide, nahm die Hand und schüttelte sie schlaff. »Oberst Glokta?«, fragte er mit heiserer Stimme.
»Zu Ihren Diensten, obwohl ich nicht mehr beim Heer bin. Inzwischen diene ich der Königlichen Inquisition.« Er hob langsam den Arm und lüftete den Hut. Sein Gesicht war todesbleich, von tiefen Furchen durchzogen, und sein kurz geschorenes Haar war an vielen Stellen ergraut. Die Augen waren von tiefen, dunklen Ringen umlagert und starrten sie fieberhell an, das linke auffällig schmaler als das rechte, mit gerötetem Rand und feucht schimmernd. »Und dies sind meine Assistenten, die Praktikalen Severard«, der Hochaufgeschossene verbeugte sich spöttisch, »und Frost.«
Das weiße Monstrum riss den Gefangenen mit einer Hand in die Höhe. »Halt«, sagte Jalenhorm und trat vor, aber der Inquisitor legte ihm sanft die Hand auf den Arm.
»Dieser Mann ist Gefangener der Inquisition Seiner Majestät, Leutnant Jalenhorm.« Der große Offizier stutzte, dass er derart beim Namen genannt wurde. »Mir ist bewusst, dass Sie aus den edelsten Motiven handeln, aber er ist ein Verbrecher, ein Verräter. Ich habe einen Haftbefehl gegen ihn, den Erzlektor Sult persönlich unterschrieben hat. Er ist Ihrer Unterstützung wirklich überhaupt nicht würdig, glauben Sie mir.«
Jalenhorm verzog das Gesicht und starrte mit Unheil verkündendem Blick auf Praktikal Frost. Der bleiche Teufel wirkte erschrocken. Ungefähr so erschrocken wie ein Stein. Er hob sich den Gefangenen ohne sichtbare Mühe über die Schulter und trat auf die Straße. Der, den man Severard genannt hatte, lächelte mit den Augen, steckte das Messer in die Scheide, verbeugte sich erneut und folgte seinem Begleiter, wobei er unmusikalisch vor sich hin pfiff.
Das linke Augenlid des Inquisitors begann zu zittern, und Tränen rollten über seine bleiche Wange. Er wischte sie sorgfältig mit dem Handrücken weg. »Ich bitte um Vergebung. Aufrichtig. Es will schon etwas heißen, wenn ein Mann nicht einmal seine eigenen Augen mehr im Griff hat, nicht wahr? Verdammtes tränendes Glibberzeug. Manchmal denke ich, ich sollte es einfach rausreißen lassen und mir lieber eine Augenklappe spendieren.« Jezals Magen rebellierte. »Wie lange ist es her, West? Sieben Jahre? Acht?«
Ein Muskel zuckte im Gesicht des Majors. »Neun.«
»Stelle man sich das nur vor. Neun Jahre. Ist denn das zu glauben? Es kommt mir vor, als sei es gestern gewesen. Es war auf dem Grat des Berges, nicht wahr, wo wir uns trennten?«
»Auf dem Grat, ja.«
»Seien Sie unbesorgt, West, ich gebe Ihnen keinerlei Schuld.« Glokta schlug dem Major herzlich auf den Arm. »Jedenfalls nicht dafür. Sie haben versucht, es mir auszureden, wie Sie sicher noch wissen. Ich hatte in Gurkhul immerhin Zeit genug, darüber nachzudenken. Viel Zeit. Sie waren mir immer ein guter Freund. Und jetzt ist der junge Collem West ein Major bei den Königstreuen, wer hätte das gedacht.« Jezal hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprachen. Er wollte nur kotzen und dann ins Bett.
Inquisitor Glokta sah ihn mit einem Lächeln an und zeigte einmal mehr die grässliche Lücke in seinen Zähnen. »Und das ist sicher Hauptmann Luthar, auf den jeder beim kommenden Turnier so große Hoffnungen setzt. Marschall Varuz ist ein harter Zuchtmeister, nicht wahr?« Er machte eine schwache Bewegung mit seinem Stock in Jezals Richtung. »Vorwärts, zustoßen, was, Herr Hauptmann?
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