Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
sinken, nickte Shade zu und knurrte: „Erklär dich!“
„Es gibt etwas, dass ich Euch nicht erzählt habe, Wahid Shonen“, begann Shade. „Ich besitze Kräfte, die ich bis jetzt geheim gehalten habe. Aus gutem Grund, Sir. Sie können zuweilen verstörend wirken.“
Betont langsam stellte der Leiter des Lagers sein Weinglas auf seinem Pult ab und schenkte Shade einen stechenden Blick. „Kräfte?“, wollte er wissen.
„Genau, Sir.“
„Wie äußern sich diese, Söldner?“
„Wie ich will, Sir. Ich kann mit ihnen machen, was mir beliebt, Sir.“
„Also kannst du sie zum Töten benutzen?“
„Unter anderem, Sir.“
Shonens Blick wanderte zu Maerkyn. „Was ist mit ihm?“
„Er ist ein normaler Mensch, Sir. Außer einer flinken Zunge und seiner vollendeten Schönheit ist nichts Besonderes an ihm zu finden.“
Einen Augenblick hätte er meinen können, der Wahid beginne zu lächeln, doch seine Mundwinkel zuckten lediglich leicht.
„Wie hast du Lionel getötet?“
„Ich habe seine Seele zerstört, Sir.“
Im Stillen bewunderte Shade sein Gegenüber für dessen stoische Ruhe. Der Wahid verlor ungeachtet dieser ernüchternden Worte nicht die Fassung. Er wiegte bloß ein wenig seinen Kopf, als wenn er sich noch nicht entschieden hatte, ob er dies gut finden würde oder nicht. Er nahm das Glas wieder an sich und starrte hinein. Dann – und seine Bewegungen waren so schnell, dass er sie kaum sah – knallte er es mit so viel Kraft auf sein Pult, dass es in tausend Stücke zerbarst. Wein spritzte und lief ihm von der Hand und den Kleidern.
„Warum hast du das getan?“, fragte er im Plauderton, wobei er bedächtig seine Hand an seiner Hose abwischte.
„Er hat es verdient, Sir. Er hat zahlreiche Frauen in diesem Lager missbraucht.“
Nun brüllte Shonen doch. „Was sagst du?!“
Doch Shade wiederholte sich nicht, da er fand, dass er deutlich gesprochen hatte. Er warf einen Seitenblick auf Maerkyn, der nicht glücklich aussah.
Vielleicht hättest du dich lieber raushalten sollen, mein Freund.
12. Quelle des Lebens
Tau fuhr aus einem unruhigen Schlaf hoch. Sie presste das durchnässte Laken an ihren Oberkörper und versuchte ihre Atmung zu beruhigen. Während sie ihre Augen erneut schloss, konzentrierte sie sich auf einen gleichmäßigen Pulsschlag, um ihr rasendes Herz zu besänftigen. Es dauerte eine Weile, bis das drängende Pochen in ihren Ohren aufhörte, doch dann war endlich alles ruhig. Zu ruhig.
Taus Lider flatterten nach oben. Hektisch sah sie sich um. Das Zimmer war leer.
Das kann nicht sein! Wo ist es? WO IST ES?
Sie schrie und doch kam kein Laut über ihre Lippen.
Nein. NEIN!
Sie wollte sich aus den Laken befreien und aus dem Bett kriechen, aber plötzlich schien es, als ob sich der Stoff um ihre Arm- und Fußgelenke geschlungen hätte und sie ans Bett fesselte. Hysterisch kämpfte sie dagegen an, was jedoch nur zur Folge hatte, dass die Schlingen sich fester zuzogen. Mittlerweilen liefen ihr Tränen über die Wangen. Schluchzer schüttelten sie unaufhörlich.
Wo ist sie? Wo ist die Wiege? Wo ist mein Kind?
Sie schrie, qualvoll, herzzerreißend. Das Bett schien sich auszudehnen und der Raum darum verlor sich allmählich in Dunkelheit. Es begann zu schaukeln, als ob es sich auf hoher See befände. Kräfte, die sie nicht kannte, schleuderten Tau von einer Seite auf die andere. Das Laken schnitt ihr ins Fleisch. Da begann es, zu regnen. Große, schwere Tropfen fielen aus der Dunkelheit auf ihre Haut. Plötzlich war sie nackt und trug kein Nachtgewand mehr. Das Wasser war eiskalt und was in den vergangenen Jahrhunderten nie geschehen war, passierte nun: Tau begann, sich vor Wasser zu fürchten. Sie zuckte unter jedem Tropfen zusammen, der ihre weiße Haut berührte. Jede nasse Stelle darauf war wie eine tiefe Verletzung, die sie geschwächt zurückließ. Taus stumme Schreie hörten auf. Sie wimmerte nur noch. Wimmerte, während sie vom Sturm hin und her gezerrt wurde. Weinte bittere Tränen, weil sie fühlte, dass sie etwas Kostbares verloren hatte. Ihr Herz existierte nicht mehr. Stattdessen war da nur noch eine leere Höhle. Eine leere Höhle, welche die Form ihres Herzens hatte. Ihr war so kalt! Der erste Blitz zuckte über den Himmel. Er beleuchtete kurzzeitig das sturmgepeitschte Meer. Von einem Zimmer konnte sie weit und breit nichts mehr sehen. Kurz darauf dröhnte Donner, so laut, dass er ihr körperliche Schmerzen verursachte. Blitze jagten sich nun gegenseitig über
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