Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
Abgrund zerren wollten.
Er schrie, schrie sich die Seele aus dem Leib, bis seine Stimmbänder ihm den Dienst versagten.
Der Horror wollte nicht enden …
Irgendwann schlug er die Augen auf. Schmerzen hatten ihn geweckt. Er lag auf dem Rücken und starrte zu einem leicht bewölkten Himmel hinauf. Ein schneidend kalter Wind fegte über ihn hinweg und auf einmal wurde ihm bewusst, wie kalt ihm war. Steif rollte er auf den Bauch, dabei kam ihm ein überraschter Schmerzenslaut über die Lippen.
Shade versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch sein Gehirn wollte nicht mitspielen.
Mühsam stemmte er sich auf alle viere. Wieder diese Schmerzen. An seinen Händen klebte getrocknetes Blut. Das Atmen bereitete ihm Schwierigkeiten und in seinem Gesicht spannte die Haut.
Angestrengt versuchte er, ein scharfes Bild von seiner Umgebung zu bekommen. Erneut fegte ein Windstoß über ihn hinweg. Shade fiel wimmernd zurück auf den Boden. Die Ohnmacht überkam ihn erneut.
Alles war schwarz, kalt, tot. Halb verweste Gestalten wankten auf ihn zu. Einst hatte er sie gekannt, doch jetzt waren sie nichts mehr. Sie zerrten an ihm. Es sei Zeit. Er müsse mit ihnen gehen. Es sei Zeit.
Shade begann, sich zu sträuben. Er wollte sich losreißen. Sie bereiteten ihm Schmerzen! Sie sollten aufhören.
Mit einem Ruck befreite er sich. Dann zückten die Gestalten plötzlich Schwerter und schlurften auf ihn zu.
Du hast uns getötet. Du hast uns getötet.
Keuchend kam er wieder zu sich. Die Schmerzen, die von seiner linken Seite ausgingen, drohten ihn zu übermannen. Seine Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander. Er befand sich immer noch am selben Ort – ein Geröllfeld, das spärlich mit Pflanzen bewachsen war. Der Himmel hatte sich verdüstert. Es sah nach Regen aus. Da fiel sein Blick auf die erste Leiche und für einen Augenblick vergaß er seine eigenen Schmerzen. Er wollte etwas sagen, doch er brachte nur ein heiseres Krächzen zustande. Seine ausgetrockneten Lippen bekamen einen Riss und warmes, klebriges Blut rann ihm über das Kinn. Shade hievte sich erneut auf alle Viere und kroch zur Leiche hin. Plötzlich durchflutete ihn Angst.
Wer mochte es sein?
Flex?
Cam?
Rock?
Oder eine der Frauen?
Queen?
Es war ein Mann. Ein junger Soldat. Der abgebrochene Schaft eines Speers ragte aus seiner Brust. Seine Hände hatten sich vor seinem Tod darum gekrampft, so, als ob er ihn aus seinem Körper hatte ziehen wollen.
Shade sah sich um. Tränen, die ihm der kalte Wind in die Augen trieb, verschleierten seinen Blick. Er entdeckte noch weitere Soldaten. Alle waren niedergemetzelt worden. Etwa zehn Schritte von ihm entfernt lagen die Trümmer eines Wagens auf dem Boden verstreut. Särge lagen herum. Einige zugenagelt, doch andere waren aufgebrochen worden oder auf dem Felsen zerschellt.
Schwankend stand Shade auf. Da waren seine Freunde! Sie lagen in den Särgen oder darunter begraben. Er stürzte zum Ersten hin und kniete sich daneben. Seine Hand zitterte, als er Queens leicht blau verfärbte Wange berührte. Sie war eiskalt. Schluchzend stellte Shade sich vor, wie sich die Lider hoben und sie ihn mit ihren goldenen Augen anfunkelte. Wie es wäre, wenn noch einmal Wärme durch die wie Porzellan schimmernde Haut pulsieren würde. Er beugte sich vor und küsste Queen sanft auf die Stirn. Sie würde nichts mehr tun. Sie war tot. Eine Weile hielt er ihren Körper sanft wiegend in seinen Armen, doch irgendwann holten ihn seine eigenen Schmerzen und die Kälte wieder ein.
Ich muss mich bewegen, wenn ich das hier überleben will.
Schlotternd stand er auf, auch wenn er nicht sicher war, ob er das Drama überleben wollte, wenn alle anderen tot waren.
Er bewegte sich dennoch. Quälend langsam arbeitete er sich zum nächsten Sarg vor. Ivy lag unter den Trümmern. Einige Schritte weiter fand er Rost. Cams Sarg war mit Gewalt aufgebrochen worden, doch von der Tatsache abgesehen, dass er tot war, konnte Shade keine Verletzungen an seinem Freund erkennen. Vielleicht ist er erfroren.
Er schleppte sich weiter bis zu Mythos, der halb aus seinem Sarg gerutscht war. Erschöpft ließ sich der einzige noch lebende Tempelbewohner neben seinem Anführer auf den Boden sinken.
„Damit hast du nicht gerechnet, was?“, sagte er laut und pflückte einige Holzsplitter von der Kleidung des Mannes.
„Du bist so alt und jetzt das. Da hast du tief in die Scheiße gegriffen, würde ich sagen. Und …“
Shade hielt inne. Da war etwas Wichtiges, etwas, das
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