Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
Spalt im Gestein eine breite Höhle.
Ein Soldat in pechschwarzer Livree ohne Wappen stand dort. Sein schartiges Schwert ruhte locker in seiner Hand, doch seine Augen musterten den entgegenkommenden General wachsam.
„General Voltan?“
„Nein. Hier bin ich bloß ein Mann, der seine Interessen verfolgt.“
Der Wachsoldat nickte und machte ihm Platz zum Passieren.
Mittlerweile arbeiteten gut hundert Leute in den Höhlen. Alle trugen einfache, schwarze Kleidung und so fiel der General mit seiner silbernen Rüstung und dem Umhang sofort auf. Er hatte nicht gesehen, wer, aber offenbar war jemand losgeeilt und hatte denjenigen verständigt, dessentwegen der General gekommen war. Ihn interessierte nicht, wie die Gesellschaft in der Höhle aufgebaut war, auch wenn er es als eine Meisterleistung empfand, dass alles, von der Nahrungsversorgung bis zu Statusfragen, so reibungslos klappte. Als er das einzige Steingebäude erreichte, wurde er bereits erwartet.
Der Mann, der dort stand, war um einige Jahre jünger als er, doch sein gesamter Haarschopf war schon weiß. Mit seinen grauen Augen musterte er den Näherkommenden kritisch.
Paeon war kein Mann, der Menschen gerne hatte. Seine Liebe galt allein der Wissenschaft – Algier wusste das. Deshalb wunderte es ihn auch nicht, als er nur knapp begrüßt wurde.
„Lange her“, meinte der bleiche Mann heiser.
„Ich weiß. Umso mehr hast du mir zu berichten, hoffe ich!“ Der General wies den Schwarzgewandeten an, vorauszugehen, und folgte ihm dann in das Gebäude hinein. Dieses war nur einstöckig, dafür aber ungewöhnlich lang. Es erinnerte den General mehr an eine Manufaktur als an ein Wohnhaus. Paeon lebte alleine, doch tagsüber arbeiteten hier zahlreiche Männer und Frauen für ihn.
Der junge Mann führte seinen Besucher an den geschäftigen Arbeitern vorbei in einen abgegrenzten Raum. Dort wies er ihn an, sich zu setzen. Er selbst blieb stehen, da der Raum nur einen Stuhl enthielt.
„Was tun die Leute da draußen? Das letzte Mal, als ich hier gewesen bin, hat es noch ein bisschen anders ausgesehen“, begann Voltan das Gespräch, von dem er annahm, dass es mühsam werden würde.
„Das sind einfache Arbeiter. Sie stellen das Zubehör für uns her.“ Seine grauen Augen fixierten den General.
„Zubehör?“
„Gefäße, Flaschen, Messer, Löffel, Pinzetten und dergleichen. Wir können nicht alles gebrauchsfertig liefern lassen, das wäre zu auffällig. Deshalb gibt es diese Nichtsnutze da draußen, die die Dinge für uns so vorbereiten, dass wir sie brauchen können.“ Paeons Stimme war abschätzig. Ein dünnes Lächeln hatte sich auf seinen schmalen, blutleeren Lippen gebildet. „Wir arbeiten wieder in den Nebenhöhlen. Hier draußen gab es zu viele Unfälle. Tote stören mich ja nicht, aber wir hatten bald zu wenig Handlanger, also sah ich mich gezwungen, umzustrukturieren.“
„Das macht Sinn. Du hast da was am Auge.“ Der General deutete auf sein linkes Auge.
„Ach, das.“ Er wischte lässig über die betreffende Stelle. Das Licht im Raum war nicht optimal, doch Algier war ziemlich sicher, dass sein Gegenüber aus dem Auge blutete. Er sah nicht gesund aus. Seine Haut war bleich und ausgetrocknet, sein kurzes, weißes Haar spröde und kraftlos. Das bodenlange, schwarze Gewand schlotterte um einen dünnen, ausgemergelten Körper.
„Rührt das von deiner Arbeit her?“, erkundigte er sich höflich.
„Natürlich. Woher sonst?!“, fauchte Paeon und winkte ihn dann zu einer Hintertür. „Ich habe keine Lust, dir alles zu erklären. Am besten siehst du dir unsere Arbeit selbst an.“
„Ich ... na gut.“ Der General stand einen Seufzer unterdrückend auf. „Du solltest deswegen zu einem Arzt gehen“, meinte er dann beim Hinausgehen.
„Das werde ich nicht.“ Paeon legte ein forsches Tempo vor. „Seiner Leidenschaft muss man Opfer bringen. Meine Liebe ist die Wissenschaft. Lieber ein verätzter Tränenkanal als die Krätze, weil ich an die falsche Frau geraten bin.“
Darauf wusste der General keine Antwort, also ging er schweigend neben dem jungen Wissenschaftler her.
Er sieht wirklich nicht gesund aus.
„Lass das“, zischte Paeon plötzlich.
„Was?“, fragte Algier unschuldig.
„Du musterst mich. Ich will kein Mitleid von dir. Mir geht es gut.“
„Wie du willst.“ Der General zuckte mit den Schultern. Das Gespräch lief eigentlich gar nicht schlecht. Das letzte Treffen mit Paeon hatte darin geendet, dass dieser ihn mit
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