Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
mit Besserem als Reisen verbringen konnten, deshalb konzentrierte er sich erneut. Feine Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn, wurden jedoch sofort wieder vom Regen weggewaschen. Es war nicht das erste Mal, dass er seine Seelen-Flieger aus seinen Gedanken herbeirief, deswegen brauchte er nicht lange für ihre Erschaffung. Es war allerdings bereits einige Jahrzehnte her, seit er sie verwendet hatte. Üblicherweise bevorzugte er die natürliche Art zu reisen. Als er seine Augen wieder öffnete, standen fünf echsenartige Wesen mit Flügeln vor ihnen. Sie hatten die Farbe von Kohle und waren in der Dunkelheit und bei diesem Regen fast unsichtbar. Einzig ihre Augen, die orange leuchteten, waren auffällig.
„Wir fliegen nach Karma zurück. Je zu zweit auf einem Seelen-Flieger. Passt auf, dass ihr nicht einschlaft, denn wir fliegen die ganze Nacht durch, um so viel Distanz wie möglich zu diesem Ort zu schaffen. Am besten haltet ihr euch gegenseitig wach.“ Er grinste und meinte in einem plötzlichen Anflug von Heiterkeit, die mit der Erkenntnis kam, dass sie ihre Mission doch noch pflichtgerecht erledigt hatten: „Nicht, dass wir umkehren und jemanden vom Boden kratzen müssen! Rock, wenn du weiterhin auf Shade aufpassen könntest, wäre ich dir sehr dankbar.“ Der breit gebaute Mann nickte ihm zu und schwang sich auf den Seelen-Flieger, der gut doppelt so groß war wie ein Pferd. Sattel und Haltegriffe waren bereits auf ihren Rücken befestigt. Zaumzeug war nicht vonnöten, da Mythos alle fünf Kreaturen mit seinen Gedanken lenken würde. Rock stand die Freude über den Flug ins Gesicht geschrieben. Selbst das schlechte Wetter konnte ihm diese nicht vermiesen.
Die restlichen Tempelbewohner machten sich daran, einen Reisepartner zu suchen, und Mythos nutzte die Gelegenheit: „Ash, bei mir wäre noch ein Plätzchen frei.“
Kurz darauf hoben sie ab. Mythos hielt mit einer Hand Ashs knochige Hüfte umschlungen, mit der anderen griff er nach dem ledernen Haltegriff, der am Sattelknauf befestigt war. Obwohl das Wetter garstiger nicht hätte sein können, schien sich Ash gut entspannen zu können. Sie stieß einen wohligen Seufzer aus und lehnte sich an seine Brust. Sie hatte die Augen geschlossen, doch Mythos war sich sicher, dass sie nicht schlief.
Müßig beobachtete er, wie ihre Rastas im Wind flatterten. Ab und zu, wenn der Wind besonders heftig blies, streiften sie seine Wangen. Ash hatte einen zungenförmigen Hitzeschild über ihrem und Mythos Kopf erschaffen, damit aller Regen verdampft war, bevor er sie erreicht hatte, und so wurde der Flug noch angenehmer.
Sie flogen die ganze Nacht hindurch. Ash war mittlerweile eingeschlafen, doch Mythos weckte sie nicht. Er hielt sie sicher fest und würde bestimmt nicht seine Konzentration verlieren.
Die dichten, grauen Wolken hatten sich immer mehr in tief hängende, weiße Wolkenbänder verwandelt, je weiter nördlich sie kamen. Es wurde kälter, dafür wurden sie nun mit einem atemberaubenden Panorama belohnt. Die einzelnen Wolkenbänder hatten sich zusammengeschlossen. Auf dem Land unter ihnen beherrschte Nebel das Terrain. Doch so weit oben schien die Sonne vor einem klaren, azurblauen Himmel. Die Seelen-Flieger von Mythos glitten lautlos über das weiße Wolkenmeer.
Gegen Mittag regte sich Ash in den Armen des Anführers und dieser beschloss, dass es Zeit für eine kleine Rast war. Ein einziger Gedanken reichte aus und die geflügelten Echsen tauchten synchron in das Wolkenmeer ein. Feuchtigkeit hüllte sie ein und je näher sie dem Boden kamen, desto weniger Kraft hatten die Sonnenstrahlen. Als sie auf einem kleinen Hügel landeten, herrschte Dämmerlicht. Mythos Laune bekam durch diesen Wechsel einen leichten Dämpfer.
Steif stiegen die Tempelbewohner von ihren Flugtieren.
Mythos schritt zu Rock hinüber, der gerade Shade auf dem Boden abgesetzt hatte. „Wie geht es ihm?“, wollte er wissen und ging in die Knie.
„Unverändert“, brummte Rock. „Hat sich nie groß geregt und er ist kalt wie ein Eiszapfen.“
„Immer noch?“ Er berührte den jungen Mann an der Wange und zuckte leicht zusammen. Er war kalt wie eine Leiche …
… oder eine Puppe aus Schatten!
Mythos stieß ein heiseres Lachen aus. Rock sah ihn verwirrt an. Auch die Übrigen, die nach Shade hatten sehen wollen, blickten ihren Anführer verdutzt an.
Dieser brauchte eine Weile, um sich wieder zu erholen. Als er schließlich aufsah und in die fragenden Gesichter blickte, gab er
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