Kriegswirren
wir haben Weiteres vor ihr verborgen.«
»Ja«, fügte Merana atemlos hinzu. »Sie hat uns sogar auf dem Weg hierher nachgestellt. Es ist schwer, etwas vor ihr geheimzuhalten, aber wir haben es geschafft. Wir dachten, daß Ihr nicht wolltet, daß sie ...« Angesichts Rands steinernem Gesichtsausdruck brach sie ab.
»Wieder Cadsuane«, sagte er tonlos. Er betrachtete stirnrunzelnd die geschnitzte Spitze des Szepters in seiner Hand und warf es dann auf einen Stuhl. »Sie befindet sich doch im Sonnenpalast. Min, trage den Töchtern des Speers draußen auf, sie sollen Cadsuane eine Nachricht überbringen. Sie soll dem Wiedergeborenen Drachen schnellstens ihre Aufwartung machen.«
»Rand, ich glaube nicht...«, begann Min unbehaglich, aber Rand unterbrach sie. Nicht unfreundlich, aber sehr bestimmt.
»Bitte, tu es, Min. Diese Frau ist wie ein Wolf, der einen Schafpferch erspäht. Ich beabsichtige herauszufinden, was sie im Schilde führt.«
Min stand ganz langsam auf und schleppte sich zur Tür. Sie war nicht die einzige, die dies für eine schlechte Idee hielt. Oder die zumindest nicht anwesend sein wollte, wenn der Wiedergeborene Drache Cadsuane Melaidhrin gegenübertrat. Dobraine ging auf dem Weg zur Tür an ihr vorbei und verbeugte sich hastig, und sogar Merana und Rafela hatten den Raum bereits vor ihr verlassen, obwohl sie den Anschein zu erwecken suchten, sie hätten es nicht eilig. Aber als Min ihren Kopf in den Gang streckte, hatten die beiden Schwestern Dobraine bereits eingeholt und eilten davon.
Seltsamerweise hatten die sechs Töchter des Speers, die vor den Türen gestanden hatten, als Min den Raum betreten hatte, Zuwachs bekommen, so daß sie den Gang so weit säumten, wie sie in beiden Richtungen sehen konnte, große Frauen mit harten Gesichtern in Grau und dem Braungrau des Cadin'sor, die Shoufa um die Köpfe gewickelt und den langen schwarzen Schleier herabgelassen. Viele trugen ihre Speere und Schilde, als erwarteten sie einen Kampf. Einige spielten ein Fingerspiel namens ›Schere, Papier, Stein‹, und die übrigen sahen angespannt zu.
Jedoch nicht so angespannt, daß sie Min nicht bemerkt hätten. Als sie Rands Botschaft weitergab, wurde die Reihen entlang rasch die Zeichensprache benutzt, und dann trotteten zwei Töchter des Speers davon. Die anderen kehrten sofort zu ihrem Spiel zurück, als Ausführende oder Zuschauer.
Min kratzte sich verwirrt am Kopf und betrat erneut den Raum. Die Töchter des Speers machten sie oft nervös, und doch hatten sie stets ein Wort für sie übrig, manchmal respektvoll, wie einer Weisen Frau gegenüber, und manchmal scherzhaft, obwohl sie, milde ausgedrückt, einen seltsamen Humor besaßen. Sie hatten sie aber noch niemals zuvor so wie jetzt ignoriert.
Rand befand sich im Schlafzimmer, und schon die einfache Tatsache ließ ihr Herz rasen. Er hatte seine Jacke ausgezogen, sein schneeweißes Hemd am Hals und an den Manschetten geöffnet und seinen Gürtel abgelegt. Min setzte sich ans Fußende des Bettes, lehnte sich an einen der schweren Schwarzholz-Bettpfosten zurück, schwang die Füße hoch und nahm den Schneidersitz ein. Sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, Rand dabei zuzusehen, wie er sich auszog, und sie beabsichtigte es zu genießen.
Anstatt jedoch mit seiner Tätigkeit fortzufahren, stand er nur da und sah sie an. »Was könnte Cadsuane mich lehren?« fragte er unvermittelt.
»Dich und alle Asha'man«, erwiderte sie. Das hatte ihr die Vision gezeigt. »Ich weiß nicht, was es ist, Rand. Ich weiß nur, daß ihr etwas lernen müßt. Ihr alle.« Anscheinend wollte er es beim aus der Hose hängenden Hemd belassen. Sie fuhr seufzend fort. »Du brauchst sie, Rand. Du kannst es dir nicht leisten, sie zu erzürnen, geschweige denn, sie davonzujagen.« Tatsächlich glaubte sie, daß nicht einmal fünfzig Myrddraal und tausend Trollocs Cadsuane irgendwohin jagen könnten.
Ein abwesender Ausdruck trat in Rands Augen, und kurz darauf schüttelte er den Kopf. »Warum sollte ich einem Wahnsinnigen zuhören?« murrte er fast unhörbar. Licht, glaubte er wirklich, Lews Therin Telamon spräche in seinem Kopf? »Zeige jemandem, daß du ihn brauchst, Min, und er hat dich in der Gewalt. Es ist wie eine Koppel, an der er dich überall hinziehen kann. Ich werde mir für keine Aes Sedai die Schlinge selbst um den Hals legen. Für keine!« Zögernd löste er wieder seine geballten Fäuste. »Dich brauche ich, Min«, sagte er schlicht. »Nicht wegen deiner Visionen.
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