Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike
Onkels Pgol, wurde dort oft schwer bestraft und hatte sich angeblich bald so dürr gefastet, daß, nach seinem Schüler Visa, »die Haut ihm an den Knochen klebte«. Doch seit 383 leitete er selbst das Weiße Kloster bei Atripe in der Thebais, ein Doppelkloster, wo er zeitweise bis zu 2200 Mönche und 1800 Nonnen dirigierte. Selbst Johannes Leipoldt aber, Schenutes moderner Biograph, der seinen Helden so gern in Schutz nimmt und betont, er sei »mehr als ein harter Tyrann« gewesen, sieht ihn dann doch mit »reckenhafter Gewalt« unermüdlich »Heiden und Sünder« drangsalieren, ein Mann, »dessen Faust ebenso behend ist wie seine Zunge ... ein starker Held«. Scheute der »große Abt«, »Prophet«, »Apostel« ja weder handgreiflichen Betrug noch eigenhändigen Mord. Vielmehr konnte er seine Mönche selbst für kleinste »Vergehen«, ein Lachen schon, ein Lächeln, jahrzehntelang barbarisch prügeln, gelegentlich auch einen erschlagen. Visas »Leben des Schenute« umschreibt dies regelmäßig mit dem eindrucksvollen Satz: »... die Erde tat sich auf, und der Frevler versank bei lebendigem Leib in der Hölle«. 97
Mißhandlungen sind bei theokratischen Gruppen besonders beliebt. Wird doch nicht nur der »Besserung« wegen oder zur Stärkung der eigenen »Autorität« geprügelt, sondern gleichsam magisch gereinigt, schädliches Miasma beseitigt. Schon im jüdischen Sakralrecht gab es die körperliche Züchtigung; doch sollten es nicht mehr als, immerhin, 40 Schläge, dann 39 sein. (Für das ägyptische Recht sind 100 Hiebe bezeugt, für das griechische 50 und 100.) In christlicher Zeit wird das Auspeitschen beibehalten, ja, häufig betrieben; wobei man allerdings – bezeichnend – beim Strafmaß den Stand der Personen berücksichtigt! Auch als Kirchenbuße kannte man die Geißelung. So verfügte die 16. Synode von Toledo (693) bei Götzendienst oder Unzucht Personen niederen Standes je mit 100 Hieben zu bestrafen. Doch stäupte man nicht nur die (niederen) Laien, sondern selbst die eignen Geistlichen, spätestens vom 5. bis ins 19. Jahrhundert! Ganz besonders stetig, innig aber schlug man in den Klöstern zu. Noch Jean Paul schreibt, daß »der katholische Novize zum Mönch geprügelt« werde. 98
Schenute, zwischen Exaltation und tiefen Depressionen schwankend, hatte jede Kleinigkeit schriftlich geregelt, und jede Kleinigkeit behandelte er wie eine Staatsaktion. Doch kam es ihm nicht darauf an, »daß die für das Kloster
wichtigen
Gebote gehalten werden, sondern darauf, daß
sein
Herrscherwille in Geltung bleibt«. 99
Zwar erkennt er zuweilen die Barbarei seines Regiments, gesteht er, Gott rate ihm nicht, »diesen großen Krieg in dir zu führen«, gelobt er, milder zu regieren, die Sünder dem Gericht des Himmels zu überlassen. Doch solche Regungen sind kurz. Er greift hart durch, rücksichtsloser vielleicht, vermutet Leipoldt, als die Klosterregel es vorschrieb. Jedes Vergehen mußte bekannt werden. Angeberei wurde begünstigt, dringend gefordert. Und er schlug höchst eigenhändig die Brüder, die sich oft vor Schmerzen auf dem Boden wälzten. Als einer seinen Torturen erlag, redete er sich sophistisch, nein: christlich heraus. War er doch ein »seiner Stellung sich wohl bewußter Charakter« (Benediktiner Engberding) – und wurde Heiliger der koptischen Kirche (Fest: 7. Abib = 1. Juli). 100
Schenutes Roheit zeigt auch sein Verhalten gegen jene, die ihr Genitale absäbelten, »um rein zu werden«. Zwar soll Sexualverkehr oder auch bloß ein »tätliches« Delikt die Strenge der Klausur meist unterbunden haben. Den Mönchen war es verboten, im Dunklen miteinander zu reden, den Nonnen verwehrt, selbst einen leiblichen Bruder auf dem Sterbebett zu sehn! Auch durfte ein heilkundiger Asket weder eine Frau behandeln noch ein männliches Glied. Um so üppiger aber wucherten die geilsten Phantasien. Und diese »Vergehen« kehren in den Sündenverzeichnissen des Weißen Klosters ständig wieder. Schnitten sich nun Skrupulöse, »um rein zu werden«, den Penis ab, was die Kirche, bei allem verrückten Keuschheitswahn, verbot, warf sie der Heilige kurzerhand vors Tor. »Lege sie, so wie sie sich im Blute ihrer Wunde baden, auf ein Bett und bringe sie auf den Fahrweg ... Und sie mögen ein (abschreckendes) Beispiel oder Zeichen für alle Vorübergehenden sein«. Ganz unbarmherzig ist er freilich nicht. Zumindest gestattet er – nur Erlaubnis jedoch, keinesfalls Gebot –, Selbstverstümmler um des Seelenheils
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