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Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike

Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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läßt (S. 226 f), die über alles hinausgehen, was bisher über den römischen Primat festgesetzt worden war. Allein der Bischof von Rom und sonst niemand ist »Stellvertreter Petri«, eine wohl erstmals von Leo (vielleicht aber schon 431 vom Legaten Philippus in Ephesus) geschaffene Wendung; Petrus, »an dessen Stelle Wir regieren« – der erste pluralis majestatis der Papstgeschichte. So ist der römische Bischof »nicht nur dieses Stuhles Bischof, sondern aller Bischöfe Primas«. Alle schulden ihm Gehorsam, auch alle maiores ecclesiae, alle Patriarchate. Er ist »zur Lenkung der ganzen Kirche« berufen, zum »Fürsten der ganzen Kirche«, »aller Kirchen des ganzen Erdkreises«. Nur »ein Antichrist oder der Teufel« würde dies leugnen. Und wer immer ihm die Obergewalt (principatum) bestreite, könne seine Würde »in keiner Weise schmälern, sondern stürzt sich selbst, vom Geist des Hochmuts aufgebläht, in die Hölle«. Wer hier aufgebläht ist, ist klar – auch wenn Leo noch so oft seine Niedrigkeit, Unwürdigkeit, sein Unvermögen betont, kurz, den »indignus haeres«. Prägt dieser mit allen Wassern römischer Rechtswissenschaft Gewaschene, der durch die Begriffe der Teilhaberschaft, des Erben, auch einen engen rechtlichen Konnex zwischen Papst und Petrus schuf, eine unteilbare Einheit von Theologie und Recht, Bibel und Jurisprudenz, doch vorsorglich bereits die berühmt-berüchtigte Formulierung – Grund genug gab es längst und bald immer mehr –, daß Petri »Würde auch im unwürdigen Erben« (etiam in indigno haerede) nicht fehle. Derart aber, kommentiert Katholik Kühner, »konnte schließlich alles, bis hin zum Verbrechen, gerechtfertigt werden«. 9
    Papst Leo ermüdete nie, die (All-)Macht der Päpste und damit die seiner selbst herauszustellen. Immer wieder schrieb, predigte er davon. »Auf der ganzen Welt wurde nur Petrus auserkoren, das Haupt sämtlicher Apostel, aller berufenen Völker, aller Väter der Kirche zu sein.« »Aus der ganzen Welt nimmt man seine Zuflucht zum Stuhl des heiligen Petrus«. Er wird von Leo als »Fels« und Fundament gepriesen, »Pförtner des Himmelreichs«, »Schiedsrichter über Sündenvorbehalt und Sündennachlaß«. Zwar haben alle Bischöfe, gesteht er, eine »gemeinsame Würde«, aber keinesfalls »gleichen Rang«. Ähnlich sei das mit Petrus schon, mit den Aposteln gewesen – »und obgleich alle in gleicher Weise ausgewählt wurden, wurde doch nur
einem
gegeben, daß er die übrigen überragte.« Ja, Leo geht nicht bloß so weit zu behaupten, daß Petri Urteilsspruch »auch im Himmel Geltung habe«, sondern daß er, der Papst, in Ausübung seines Amtes »die immerwährende Huld des allmächtigen und ewigen Hohenpriesters« genieße, der ihm »ähnlich [!] und dem Vater gleich« sei. 10
    Höher läßt sich die Anmaßung kaum treiben. Doch hatte Leo schon in seiner ersten Papstpredigt, am 29. September 440, der ältesten tradierten Predigt eines Papstes, nicht gerade bescheiden mit dem Psalmisten gejubelt: »Er hat mich gesegnet, da er an mir große Wunder tat ...«. Oder bald dar auf gejauchzt, »ehrenreich« habe ihn Gott gemacht, zur »höchsten Stufe« emporgeführt. 11
    Den Schäfchen aber predigte er um so eindringlicher Demut! »Hatte doch der ganze Sieg des Erlösers, der den Satan und die Welt bezwang, seinen Anfang und sein Ende in der
Demut
«. (Leo beschwört oft und ausmalend Teufel und Hölle, viel seltener, wie üblich, den Himmel; er gibt nun einmal weniger her.) Ja, Leo behauptet: »So besteht denn, Geliebteste, die ganze [!] Lehre der christlichen Weisheit nicht in weitschweifigen Worten und spitzfindigen Erörterungen, auch nicht im Streben nach Ruhm und Ehre« – das war nur für seinesgleichen –, »sondern in wahrer und freiwilliger
Demut« –
die war für die Untertanen, die Abhängigen, die Auszubeutenden: wobei nur daran erinnert sei, daß der römische Bischof schon im 5. Jahrhundert der größte Grundherr im ganzen Römischen Reich gewesen ist. 12

Dafür: »Kriegsdienst tun unter Christus ...«

    Andererseits freilich betont Leo ohne Ende, daß weniger der Kaiser regiere als Christus und Gott. Daß der Kaiser seine Macht vom Höchsten habe – »regnat per Dei gratiam«. Julian von Kios beauftragte er, dem Monarchen zur rechten Zeit »die richtigen Anregungen« (opportunas suggestiones) weiterzugeben. Kannte er, Leo, doch aus »vielfacher Erfahrung« den Glauben des glorreichen Augustus und wußte, daß er »davon überzeugt

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