Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
so mehr, als sie die bayerische Mission rasch übertrumpften.
Selbstverständlich folgten der Vorwurf der »Ketzerei« und eine Vorladung nach Rom. So machten sich Konstantin und Method nach etwa dreijährigem Wirken 866/867 auf den Weg. Sie gingen über Pannonien zu dem Sohn des inzwischen verstorbenen Slawenfürsten Pribina (S. 156 f.), Kocel (in fränkischen Quellen: Chozilo, Chezilo), der bis zu seinem Tod um 875 in der Hauptfeste Mosapurg (Zalavár) am Plattensee herrschte und nun die slawische Liturgie zu fördern begann. Und von dort zogen sie 868 über Venedig weiter zum Papst, um ihr Unternehmen allerhöchst absegnen zu lassen.
Tatsächlich billigte in Rom (wo Konstantin, der den Namen Kyrill angenommen, 869 starb) Hadrian II. ihre Missionspraxis. Er genehmigte die slawische Liturgie, befahl allerdings Epistel und Evangelien lateinisch zu lesen. Als Hadrian aber 870 auf Bitte Kocels, der sich aus der ostfränkischen Abhängigkeit befreien und eine unabhängige Kirche wollte, Methodios zum Päpstlichen Legaten und Erzbischof von Pannonien und Mähren ernannte, ihm auch die seit dem Awarensturm von 582 eingegangene Metropolie Sirmium (heute Mitrovica bei Belgrad) unterstellte, kam es zum heftigen Widerstand der Bischöfe von Salzburg und Passau. Denn Hadrians Verfügung betraf ihre Diözesen, und zwar keinesfalls nur ihr geistliches Regiment, sondern natürlich ebenfalls den Fortgang der fränkischen »Kolonisation«. So verschärfte sich der schon etwa fünfzehnjährige Kirchenstreit, wobei es jedem um etwas anderes ging: »Method um die slawische Kirchensprache, den Bayern um die Unversehrtheit ihres Missionssprengels, dem Papsttum um unmittelbare Herrschaft über die mährische Kirche, den Mährern selbst aber um ihre Unabhängigkeit« (Zöllner). Im Grunde ging es jedem um dasselbe: um Macht. 41
Herzog Ratislaw wird geblendet, Erzbischof Method vom Passauer Bischof mit der Reitpeitsche traktiert
Mit dem Kirchenstreit unlösbar verbunden war der politische Konflikt. Ludwig der Deutsche fiel eben seinerzeit wieder einmal im Osten ein. Mit drei Heereskontingenten rückte er vor (S. 162). Dabei attackierte Prinz Karlmann von Kärnten aus das Fürstentum Neutra in der Slowakei, wo Ratislavs Neffe Swatopluk regierte (870–894). Er hatte dort, wo der Salzburger Erzbischof Adalram 828 den ersten Christentempel geweiht, als Teilfürst begonnen und offenbar die römische Kirche begünstigt. So wurde er denn aus all den da drohenden dynastischen Tücken wunderbar durch »Gottes Gnade«, »das gerechte Gericht Gottes« gerettet. Karlmann zog ihn auf seine Seite, und Swatopluk lieferte ihm den Onkel aus. Karlmann ließ Ratislav in Regensburg in ein Gefängnis sperren und drang jetzt »ohne irgend einen Widerstand in dessen Reich ein, brachte alle Städte und Burgen zur Unterwerfung, ordnete und verwaltete das Reich durch seine Leute und zog, bereichert mit dem königlichen Schatz, heim«.
Ratislav aber wurde im Spätherbst »schwer gefesselt« König Ludwig vorgeführt, – gnadenweise – geblendet und blind erneut in einen Klosterkerker geworfen. (Schließlich hatte es das ganze Jahr über Vorzeichen gegeben, »Wunderzeichen«: nächtelang eine wie in Blut getauchte Luft über Mainz, ein zweimaliges Erdbeben dort, auch wütete eine Rinderpest »aufs schrecklichste an einigen Orten Franciens«. Ja, während einer Synode in Köln wurden in der Kirche des hl. Petrus »Stimmen böser Geister gehört, die miteinander sprachen und sehr darüber klagten, daß sie aus den so lange innegehabten Sitzen ausgetrieben werden sollten«: Annales Fuldenses). – Man erinnert sich wohl an den »bösen Geist« von Caputmontium (S. 168).
Als Methodios aber seinen Schützer Ratislav verlor, ließen die bayerischen Bischöfe auch Methodios verhaften und jahrelang in Bayern – wo ist unbekannt – einkerkern, doch sicher stand dahinter »der gesamte bayerische Episkopat in enger Fühlungsnahme mit der weltlichen Macht« (Maß). Mähren wurde nun durch deutsche Markgrafen verwaltet.
Zuvor freilich, 870, hatte man den gerade erst durch den Papst approbierten Erzbischof auf eine Regensburger Synode geschleppt, einen Mann, der vermutlich ein ernsteres Christentum vertrat als der damals in Mähren missionierende fränkische Klerus, und es kam zu einem Zusammenstoß mit den bayerischen Prälaten, denen alles Slawische verhaßt war. »Du lehrst auf unserem Gebiet«, hielt man dem Verhafteten vor, während dieser seinerseits die
Weitere Kostenlose Bücher