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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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mitgebracht.
    Im übrigen ging es auf der Synode – zu der auch der 871 abgesetzte, später geblendete Bischof Hinkmar von Laon erschien und (sehr zum Ärger Hinkmars von Reims) wenigstens teilweise »rehabilitiert« worden ist – u.v.a. wieder einmal massiv um die Rückgabe von Kirchengütern durch die Laien, denen man andernfalls die Exkommunikation und die Verweigerung eines christlichen Begräbnisses androhte; ging es um Reduzierung der Steuern, die angeblich seit Jahrzehnten auf die Kirchengüter drückten (seien doch, schrieb der greise Hinkmar dem neuen König, »die einstmals reichen Kirchen völlig mittellos geworden«).
    Ludwig II. der Stammler, »durch das Erbarmen Gottes und die Wahl des Volkes (!) zum König bestellt«, versprach zwar die Kirchenverordnungen und die Gesetze unangetastet zu lassen. Doch war er krank und schon im nächsten Jahr, nach einer plötzlichen Verschlechterung seines Zustands, man sprach von Gift, am Karfreitag tot, nicht ganz 33 Jahre alt. 16
    Noch zu Lebzeiten des Königs aber hatte Papst Johann VIII. einen Mann umworben, der ihn bereits nach Troyes begleitet, der ihn dann auch nach Italien zurückgeführt hat und dem er ganz offenbar nichts Geringeres als die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen gedachte – Graf Boso von Vienne (gest. 887).

Pfaffenkönig Boso tritt ins Rampenlicht

    Boso war der Sohn des lotharingischen Grafen Biwin, des Laienabtes von Gorze, und ein Neffe von Lothars II. Gattin Theutberga sowie ihres Bruders, des Abtes Hucbert von Saint-Maurice. Nach der Vermählung Karls des Kahlen mit Bosos Schwester Richilde – er hatte sie ihm damals zugeführt (S. 215) – begann sein Aufstieg im Dienst des Königs, der ihn mit zahlreichen Herrschaften und Ämtern bedachte, in Aquitanien, Burgund und Italien. Noch 869 bekam Boso die Abtei Saint-Maurice, 870 die Grafschaft Vienne, zwei Jahre später wurde er Kämmerer und magister ostiariorum für Karls Sohn Ludwig, den Unterkönig von Aquitanien, das er nun verwaltete. 875/876, bei Karls erstem Italienzug, bekam er wohl die Provence und wurde im Februar 876 auf der Reichs Versammlung in Pavia zum missus für Italien bestellt und mit dem Titel eines Herzogs der Lombardei gleichsam Vizekönig.
    An Frömmigkeit scheint es Boso so wenig gefehlt zu haben wie an Grausamkeit. Zumindest verfügte er über eine Reihe von Klöstern, in denen auf seinen Befehl für ihn gebetet wurde. Dem gestürzten und mehrere Jahre in Haft gehaltenen Bischof Hinkmar von Laon ließ Boso im Kerker die Augen ausreißen, seine erste Frau hat er nach einer »glaubwürdige(n) Quelle« vergiftet und dann Ermengard, ehemals Verlobte des byzantinischen Thronfolgers, die einzige Erbin Kaiser Ludwigs II., geraubt, um sie zu heiraten, brachte sie ihm doch einen beträchtlichen Besitz in Oberitalien ein.
    Papst Johann VIII. aber billigte nicht nur die Unregelmäßigkeit dieser Ehe, sondern versicherte schriftlich, Boso und Ermengard wie seine eigenen Kinder zu betrachten. Schien ihm doch ein Emporkömmling wie Boso gerade geeignet, es in Italien mit Karlmann aufnehmen und diesem das italienische Reich entreißen zu können. So ernannte er denn 878 Boso, den »glorreichen Fürsten«, per adoptionis gratiam zu seinem Sohn (ein Akt, der traditionsbildend wirkte), womit dieser als filius adoptivus unter den besonderen geistlichen Schutz des Papstes gestellt wurde, er seinerseits aber auch besondere Schutzaufgaben für den Papst übernahm, der jedem, der gegen seinen »Sohn« (predictum filium nostrum) sich zu wenden wagte, den Bann androhte.
    Der Heilige Vater lockte Boso, der ihn im Auftrag Ludwigs II. nach Rom zu geleiten hatte, mit der Königskrone der Provence, ja mit der Kaiserwürde – nichts weniger als eine geplante Revolte wider die Karolinger, da Boso deren Dynastie gar nicht angehörte. Doch nicht genug: »Der Papst inszenierte ein geradezu heimtückisches Spiel. Er warb bei Ludwig dem Stammler, der selbst Ansprüche auf Italien anmeldete, um Truppen zur Unterstützung Bosos; der Karolinger sollte den Niedergang seines Geschlechts selbst noch fördern« (Fried). 17
    Boso, der sich 877 gegen Karl den Kahlen, dem er seine ganze Karriere, zahlreiche hohe Ämter und große Ländereien verdankte, sogar offen verschworen und ebenso dessen Sohn und Nachfolger Ludwig den Stammler unter schweren Druck gesetzt hatte, gab schließlich auch dessen Söhne Ludwig III. und Karlmann preis. Dafür ließ er sich, nachdem er schon vorher als »Boso Dei gratia«

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