Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Erchanger, mit Kirchenstrafen. Den Vorsitz führte der Legat Johanns X., Bischof Petrus von Orte, einer der nächsten päpstlichen Vertrauten, eigens abgesandt, wie es hieß, »daß er das in unseren Landen aufgegangene teuflische Unkraut ausrotte«. Tagte die Synode ja auch, so steht es in den Akten, um »die gottlose Empörung einiger Verruchter zu beendigen und niederzuschlagen«.
Nach dem Begleitbrief des Papstes (der seinerzeit ein fünfjähriges Kind zum Erzbischof von Reims machte) sollte man über kirchliche Mißstände beraten! So trat man, neben Selbstermahnungen, nicht zuletzt wieder für die eigene Macht ein, kräftig gestützt auf die pseudoisidorischen Fälschungen, forderte die Zehnten, Schutz des Kirchengutes, das Privileg, daß Geistliche nie von weltlichen Richtern verurteilt werden dürften: wer einen Bischof oder Priester verklage, verklage die göttliche Weltordnung (»nahezu alle Bestimmungen über die Sicherung der Bischöfe vor weltlichen Gewalten sind wörtliche Zitate aus der Dekretalensammlung des Fälschers«: Hellmann). Während es den Prälaten jedoch freistand – nach dem berüchtigten Vorbild von Papst Leo III. anno 800 (IV 448 f.), der freilich nur »dem Beispiel seiner Vorgänger« folgte –, sich von einer Anklage durch einen Reinigungseid zu befreien, suchte man die Strafen der Kirche gegen andere noch zu schärfen kraft der gerade erschwindelten pseudoisidorischen Dekretalen, deren Geist die Synodalbeschlüsse »voll und ganz« atmen (Hellmann).
So wurden die beiden Grafenbrüder Erchanger und Berthold sowie ihr Neffe, die sich, allzu vertrauensvoll offenbar auf eine Beilegung des Verwandtenstreits hoffend, der Synode überantwortet hatten, von ihr zu lebenslänglicher Klosterhaft verurteilt (während der bayerische Herzog Arnulf nebst Bruder Berthold, Konrads Stiefsöhne, trotz Aufforderung, vorsichtigerweise die Synode mieden). Noch härter aber war der König, dem sich die Synodalen übrigens gleichgestellt. Nur drei Monate nach ihrer Zusammenkunft, am 21. Januar 917 – es erinnert fatal an das Ende des Babenbergers Adalbert –, ließ Konrad I. den Pfalzgrafen Erchanger und dessen Bruder Berthold, seine Schwäger, sowie ihren Neffen Liutfried als »Hochverräter« köpfen; »doch hinter ihm steht Salomo, der Schuldige wohl auch dieser Tat« (Lüdtke). 9
Es nutzte dem König nicht. Noch 917 erhob sich in Schwaben der Sohn des durch Bischof Salomo ermordeten rätischen Markgrafen (S. 367), der Hunfridinger Burchard II., der Rivale der Hingerichteten, und setzte sich an deren Stelle. Er okkupierte ihren Besitz und gewann rasch die Anerkennung der schwäbischen Großen als Herzog (dux). Im gleichen Jahr kehrte Arnulf nach Bayern zurück, rebellierte gegen den König und jagte dessen Bruder Eberhard aus seiner »Hauptstadt«. Schließlich stoben 917 auch wieder die Ungarn heran und verheerten besonders schwer Schwaben, das Elsaß samt Lotharingien, ohne daß irgend eine vom König organisierte Abwehr erkennbar wäre. Doch zog dieser im Herbst 918 noch einmal gegen Regensburg und wieder ohne Erfolg. 10
Von Konrads letzter Regierungszeit wissen wir wenig. Kinderlos verschied er am 23. Dezember 918 an einem uns unbekannten Ort und fand in Fulda seine letzte Ruhe. Er hatte weder die aufstrebenden Herzöge bändigen noch die eigene Macht festigen können, ja er starb an einer Wunde, die er eben auf dem scheiternden Bayernfeldzug erhalten. Als Nachfolger aber schlug er, so heißt es, seinen einstigen Gegner, den Sachsenherzog Heinrich vor. Um den Frieden wieder herzustellen, jedem Zwiespalt vorzubeugen, die Reichseinheit zu wahren, beschwor er noch auf dem Sterbebett seinen aus Bayern vertriebenen Bruder Eberhard, dem sächsischen Herzog Heinrich, dem Mann mit der wahren königlichen Macht, dem echten Königs-Charisma, die Königsinsignien zu schicken und mit ihm Freundschaft zu schließen – falls die Meldung des Corveyer Mönchs zutrifft.
Denn ob diese edle, seitdem so viele alte und neue Federn in Bewegung setzende, so ungezählte Leser rührende Geste historisch, ob die oft bestaunte Designation des Sachsen durch den Franken wirklich geschehen ist, müßte offen bleiben, auch wenn Widukinds Bericht nicht zweifellos topische Bestandteile und mancherlei suspekte Ausschmückungen enthielte. Der hochadlige Mönchs-Chronist war stolz auf seinen Stamm, war durchdrungen von sächsischem Volksbewußtsein und auch sonst darauf aus, die Legitimität der liudolfingischen Dynastie zu
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