Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
hatten ihre geistlichen Berater, vorzüglich Erzbischof und Reichserzkanzler Willigis von Mainz, der jahrelang kaum von der Seite des jungen Königs wich, sowie der Kanzler Bischof Hildibald von Worms, außerordentlichen Einfluß. Wie wenig sich etwa Willigis, vom Papst mit umfassenden Vorrechten vor allen Erzbischöfen Germaniens und Galliens ausgestattet, um Kaiserin Theophanu kümmerte, wenn es ihm nicht paßte, zeigt der sogenannte Gandersheimer Streit (S. 574 ff.). Es war zeitweise eher ein Klerus- als ein Weiberregiment; zumal in der ersten Jahreshälfte 993 scheinen die Bischöfe Willigis und Hildibald »das Reich allein verwaltet zu haben« (Böhmer). Aber auch darüber hinaus »hat die Bedeutung der beiden kirchlichen Regenten ... noch zugenommen«. Dagegen nahm insgesamt »das Ansehen des Königs während der Zeit der vormundschaftlichen Regierung mehr und mehr ab« (Glocker). Ist ja auch von anderen Prälaten, von Hatto I. von Mainz (S. 345) oder im 11. Jahrhundert von den Metropoliten Adalbert von Hamburg-Bremen und seinem Gegenspieler Anno II. von Köln zur Genüge bekannt, »wie selbstherrlich und anmaßend die Bischöfe auftraten, denen so etwas wie die Reichsregentschaft anvertraut war« (Althoff), wobei sie mitunter die Führung der Reichsgeschäfte faktisch an sich rissen. – Auch Erzbischof Giselher von Magdeburg hatte in den Jahren 991 bis 994 offenbar enge Kontakte zum Hof.
Sogar bei mehr oder weniger selbständig regierenden Potentaten spielte ihre nächste Umgebung in vieler Hinsicht eine maßgebliche Rolle, u.a. schon deshalb, weil ohne ihre Vermittlung niemand Zugang zum König bekam; seine Vertrauten konnten eine Unterredung mit ihm ebenso gewähren wie verwehren.
Als Otto 994 die Mündigkeit erlangte, ging der Einfluß sowohl Adelheids als auch der beider Kirchenfürsten Willigis und Hildibald, aus deren reduzierten Interventionen erschließbar, erheblich zurück. Dafür förderte der junge Monarch allerdings andere Pfaffen. So setzte er sofort den mit ihm früh befreundeten Kapellan Heribert, Erzbischof von Köln (999–1021), als Kanzler in Italien ein. Vier Jahre später übernahm dieser – ein Zeichen von Ottos hoher Wertschätzung – auch das deutsche Kanzleramt, amtierte somit für das gesamte Imperium. 996 nominierte Otto seinen Kapellan und Vetter Brun zum Papst, der darauf als Gregor V. den »Heiligen Stuhl« bestieg.
Großes Ansehen bei dem jungen Herrscher genoß auch Bischof Leo von Vercelli (998–1026), der Nachfolger seines von dem Markgrafen Arduin von Ivrea ermordeten Vorgängers Petrus. Leo, ein Italiener, war seit 996 Mitglied der Hofkapelle und, neben Gerbert, vielleicht der wichtigste politische Berater Ottos III., seit 1000 kaiserlicher Kanzler, wobei der Bischof keinesfalls den eigenen Nutzen und die eigene Macht übersah, z.B. die Güter des Grafen Arduin und die seiner Anhänger kassierte.
Gewicht bei Hof hatte ferner der Lütticher Bischof Notker, von Otto mit einigen Grafschaften beschenkt und im königlichen Dienst zu mehreren Italienreisen herangezogen (989–990, 996, 998–1002). Häufig an Regierungsgeschäften und anderen Unternehmungen des Regenten beteiligt, auch Empfänger königlicher Schenkungen sowie Intervenient, ist der hochadlige Heinrich I. von Würzburg, der seinen Bischofsstuhl seinem (ablehnenden) Bruder und Kanzler Heribert verdankt, der dafür 999 Erzbischof von Köln wird (weitere Verwandte, vermutlich Neffen, sind die Bischöfe Heribert und Gezemann von Eichstätt).
Zwischen zwei Heiligen und einem künftigen Papst
Wie Heinrich ist auch der schon genannte, aus sächsischem Hochadel stammende hl. Bernward ein typischer Repräsentant des ottonischen Reichsepiskopats; seit 987 in der Hofkapelle, seit 989 Erzieher Ottos, seit 993 Bischof von Hildesheim. (Auch in seiner Familie häufen sich die hohen geistlichen Posten: Onkel Folkmar ist Bischof von Utrecht, ein weiterer Verwandter, Erchanbald, Erzbischof von Mainz, seine Schwester Judith ist Äbtissin des immedingischen Hausstifts Ringelheim, seine Tante Rotgard Äbtissin des Reichsstiftes Hilwartshausen, eine weitere Verwandte, Frideruna, Äbtissin von Steterburg.)
Trotz diverser Erziehungs- und Regierungsgeschäfte aber findet Bernward noch Zeit für die Hebung sogenannter Kirchenzucht, findet er Zeit, immerhin sieben Jahre (1000–1007), mit dem Erzbischof Willigis um das Kloster Gandersheim zu streiten und zu siegen (S. 576 ff.); findet er auch Zeit, Festungen zu errichten (einen
Weitere Kostenlose Bücher