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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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zumal den Brüdern Lothars Oberherrschaft nicht weniger drückend erschien als die des Vaters.
    So mißlang der Staatsstreich völlig. Auf dem Reichstag zu Nymwegen im Oktober 830 gewann der Monarch wieder die Freiheit, Lothar unterwarf sich, seine führenden Parteigänger wurden eingesperrt und im Februar auf dem Reichstag zu Aachen abgeurteilt. Abt Wala von Corbie, der zunächst in sein Kloster – 774 schon Haftort des Langobardenkönigs Desiderius (IV 420 ff.) – verschwinden mußte, kam in ein schwer zugängliches Felsennest am Genfer See, wo er nur den Schnee der Alpen und den Himmel sah. Bischof Jesse von Amiens wurde durch die Prälaten seiner Würde entsetzt, Abt Hilduin als Erzkaplan durch den Abt Fulco abgelöst und in das Kloster Korvei in Sachsen gegeben, auch Abt Helisachar verbannt. Härter ging man, wie üblich, gegen die sogenannten Laien vor, die man um Ämter und Güter brachte. Und Lothar selbst fand sich, als Mitregent entthront, schließlich in Italien wieder, nachdem er versprochen, »niemals mehr solches zu begehen«.
    Die Kaiserin kehrte mit ausdrücklicher Dispens Gregors IV. und der fränkischen Bischöfe alsbald aus dem Kloster zurück und leistete, ihre Verwandtschaft als Mitschwörer (sacramentales) benutzend, einen Reinigungseid, der von jeder weiteren »Beweisführung« entband, und den dann auch der wieder auftauchende Graf Bernhard schwor. Judith wurde rehabilitiert und mächtiger als zuvor. Und natürlich waren auch ihre beiden geschorenen Brüder längst wieder die Mönchskutte los. 58

Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

    Indes Lothar nun auf Italien beschränkt blieb, teilte der Kaiser den übrigen Söhnen Pippin, Ludwig und Karl im Februar 831 etwa gleich große regna zu. Doch trotz deren beträchtlicher Erweiterung schwelte der Konflikt fort, wollten die einen die Reichseinheit, die anderen mehr Einfluß oder mehr Land – alles aber von nacktem Egoismus diktiert, nicht zuletzt von den nimmer ruhenden Bemühungen der Kaiserin für ihren Sprößling, den Nachzügler Karl. Kaisersohn Pippin revoltierte in Aquitanien und verlor es, Judiths Sohn bekam es. Und der Adel des Landes, der Pippin treulos verließ, leistete dem neuen Herrn den Eid. Ist dieser Adel doch kaum minder opportunistisch wie der Episkopat, läuft doch auch er gewöhnlich von einem zum andern über und gewöhnlich natürlich dorthin, wo er mehr Geld und Gut zu ergattern hofft, mehr Macht – das alles ergibt dann mehr Ehre und Edelhaftigkeit: sozusagen höheren Adel ...
    An Ostern 832 rebellierte der Bayernherzog Ludwig (der Deutsche).
    Mit allen bayerischen und sogar slawischen Truppen, ja mit Hörigen (liberis et servis, et sclavis) unternahm er einen Kriegszug zur Rückgewinnung Alemanniens, das inzwischen seinem Stiefbruder Karl (dem Kahlen) gehörte. Allmählich bis Worms vordringend, hatte Ludwig zwar »alles schrecklich verwüstet«, mußte sich aber, in Ermangelung erhoffter Zuzüge von Franken und Sachsen, im Mai 832 bei Augsburg ergeben und wurde in sein Land zurückgeschickt. Eidlich gelobte er, »nie wieder dergleichen zu begehen oder anderen dazu seine Zustimmung zu geben« (Annales Bertiniani) – und brach schon im nächsten Jahr seinen Schwur.
    Da der kleine Karl Aquitanien bekommen sollte, wurde Pippin noch im Oktober bei Limoges unterworfen, abgesetzt und »zur Besserung seiner schlechten Sitten« mit Frau und Kind nach Trier verbannt. Er entkam jedoch bereits auf dem Transport, erreichte Aquitanien, vom Vater alsbald verfolgt, der aber nach schweren Verlusten retirieren mußte.
    Und schon Anfang nächsten Jahres, 833, verbündeten sich die drei älteren Brüder, um den Vater, ungeachtet ihrer Vasalleneide wie Kindespflicht, mit großer Heeresmacht anzugreifen. Sie appellierten an das Volk, »eine gerechte Regierung zu schaffen«. Denn auch Ludwig der Deutsche (der bereits 838 und 839 wieder revoltierte) und Pippin I. von Aquitanien sahen sich benachteiligt, bedroht. Lothar zog mit einem eilig mobilisierten Heer samt Papst Gregor IV. (827–844), der noch von Italien aus versucht hatte, den fränkischen Klerus zu gewinnen, in Burgund ein. Die dortigen Erzbischöfe liefen sofort über, Bernhard von Vienne und Agobard von Lyon, der Geiferer gegen die Juden (580), der jetzt auch, dem Vierten Gebot zum Trotz, ein Manifest verfaßte für das Recht der Söhne wider den Vater.
    Lothar stieß zu den Brüdern und trat erneut an die Spitze der Empörer. Doch stand die Mehrzahl der fränkischen

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