Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
Vom Netzwerk:
Hierarchie um ihr Konzept. Die Situation spitzte sich noch zu, als Lothar, seit Ende 825 formell gleichberechtigter Regent an Ludwigs Hof, im Herbst nach Italien, Wala in sein Kloster Corbie abgeschoben wurde. Statt ihrer aber kam als Kämmerer, als »Zweiter in der Herrschaft«, der den bisher führenden Magnaten verhaßte Graf Bernhard von Barcelona, ein anscheinend besonders hochmütiger Ehrgeizling, der durch Preisgabe des Krongutes neue Anhänger zusammensuchte.

    Ludwig selbst zog, nachdem er noch den Staat »in Ordnung gebracht«, natürlich »auf sein Hofgut Frankfurt zur Herbstjagd« »und jagte hier so lang es ihm gefiel«, notieren die Biographen. Erst gegen Winter feierte er wieder in Aachen die Feste, wie sie fielen, Martinsmesse, Andreastag, das heilige Weihnachtsspektakel, und alles, versichert der Reichsannalist, »mit Freude und Jubel«.
    Die sollten ihm allerdings vergehn.
    Bernhard, Abkömmling fränkischen Hochadels, Sohn Wilhelms – des unter Karl I. sehr geachteten Grafen von Toulouse, zuletzt durch seinen Freund Benedikt von Aniane Mönch mit strengster Askese –, Bernhard verspürte zu derlei wenig Neigung. Das Bett der jungen Kaiserin, so böse Zungen, zumal bischöfliche, habe ihm viel näher gelegen. Und Ludwig der Fromme hatte den Mann von kleinauf gefördert, ihn bereits aus der Taufe gehoben, dann zum Grafen von Barcelona ernannt und an die Spitze der spanischen Mark gestellt, wo er den Gotenaufstand unter Aizo (S. 55 f.) erfolgreich bekämpfte.
    Als Parteigänger der Kaiserin holte man Bernhard 829 an den Hof und suchte mit seiner Hilfe die »Reichseinheitspartei« zu zerschlagen. Doch gerade das Gegenteil geschah. Bernhards Berufung war ein Schritt, schreibt selbst Ludwigs Lobredner, der Astronom, der »die Saat der Zwietracht nicht erstickte, sondern vielmehr mehrte«. Und auch Nithard, Karls »des Großen« Enkel, der sich im Bruderzwist an Karl (den Kahlen) anschloß, in dessen Auftrag er die Zeitgeschichte dokumentierte, meint von Bernhard: »Statt den schwankenden Staat zu befestigen, richtete er diesen durch den unbesonnenen Mißbrauch der Gewalt gänzlich zugrunde.« 56
    Dem eigenen Anhang soll der Kämmerer rasch zu Macht und Würden verholfen haben. Doch die Gruppe war verhältnismäßig klein, bestand vor allem aus seinem Bruder Heribert, Vetter Odo, den Brüdern der Kaiserin, Konrad und Rudolf, und natürlich zählte auch Judith selbst dazu, angeblich des Kaisers böser Geist. Der Kreis seiner Widersacher aber war groß und einflußreich. Denn rundum sammelten sich die Mißvergnügten, Gedemütigten, alle, die durch einen Umsturz oder doch eine Änderung der Verhältnisse zu profitieren hofften, die Meute derer, die, »wie Hunde und Raubvögel, anderen Schaden zuzufügen suchte, um selbst daraus Gewinn zu ziehen« (Astronomus). Gerüchte kursierten, vielleicht Verleumdungen, regelrechte Kampagnen, die zumal von den darin versierten Prälaten ausgingen, die der Kaiserin alles Mögliche unterstellten, einschließlich Ehebruch mit dem Kämmerer Bernhard und anderen.
    »Die geringeren Leute machten sich darüber lustig«, kolportiert Erzbischof Agobard, »die vornehmen und großen litten darunter, daß das kaiserliche Lager beschmutzt, der Palast entehrt und der Ruf der Franken verdunkelt wurde, weil die Herrin frivole Spiele sogar in der Gegenwart von Geistlichen trieb«. Abt Regino von Prüm spricht gleich von ihrer »vielfältigen Hurerei« (multimodam fornicationem), was zumindest unsicher ist.
    Man bezichtigte Judith auch teuflischer Künste, heimtückischer Zauberei. Amulette aber, Magie, Weissagen, Wahrsagen, Zukunfts- und Traumdeuten sowie ähnlich »verderbliche Übel« hatte ja gerade erst 829 die Synode von Paris verdammt, und alle, die derart »dem ruchlosen Teufel dienen«, wollte sie selbstverständlich »besonders streng« bestraft sehen.
    Kaum weniger schlimm aber erscheint Bernhard. Der im Nonnenkloster von Soissons erzogene hl. Abt Paschasius Radbertus, Walas Biograph, sieht den schurkischen Kämmerer in allen Schmutzsuhlen sich wälzen, wie ein wilder Eber die Pfalz verwüsten, gar das Bett der Kaiserin besetzen. »Der Palast wurde zum Freudenhaus, in dem die Ehebrecherin herrscht und der Ehebrecher regiert, in dem sich Verbrechen häufen, in dem besonders ruchlose und hexerische Zaubereien aller Art gebraucht werden.« Dagegen geht der »große und sanftmütige Kaiser« getäuscht »wie ein unschuldiges Lamm zur Schlachtbank ...«
    Bernhard hatte seine Frau

Weitere Kostenlose Bücher