Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Dhuoda – Verfasserin des »Liber manualis«, der eindringlichen Anleitung zu einem christlichen Leben – nicht bei Hofe, sondern sie nach Uzès verwiesen. Ob die Unterstellungen des Heiligen etwas Wahres enthielten, war bis heute nicht nachweisbar, die Kampagne freilich erfolgreich. Calumniare audacter ...
Um von den desolaten inneren Verhältnissen abzulenken, wollte der Kaiser wieder einmal gegen die Bretagne ziehen, mit dem gesamten Heerbann des Reiches, und ausgerechnet auch noch am 14. April, Gründonnerstag! Angeblich erbitterte dies »das ganze Volk« (Annales Bertiniani). Tatsächlich erregten sich nur die Mächtigen über die Neuregelung zugunsten des nachgeborenen Karl, der nun eben nach dem fränkischen Gewohnheitsrecht einen Teil des Gesamterbes bekommen sollte, was die drei Söhne aus Ludwigs erster Ehe, Karls Stiefbrüder, Pippin I. von Aquitanien, Ludwig von Bayern, besonders jedoch Lothar, benachteiligte. Dieser eilte schnell aus Italien über die Alpen, um gemäß der Entscheidung von 817 sein Recht zu verfechten. Dabei traten ihm weltliche wie geistliche Fürsten zur Seite, die alle nach außen für die Einheit des Reiches, in Wirklichkeit freilich mehr für ihr eigenes Interesse streiten wollten.
An der Spitze der Verschwörung standen frühere Kaiseranhänger, einige seiner ersten Ratgeber, der einstige Kanzler Helisachar, der Erzkanzler und Abt Hilduin von St. Denis, der Bischof Jesse von Amiens, vor allem aber der damals 56jährige Abt Wala, der geistige Kopf der Erhebung und gefährlichste Gegner Ludwigs, der die Parole prägte »pro principe contra principem« und dessen Kloster Corbie geradezu »das Zentrum« und »Hauptquartier« (Weinrich) der Rebellen wurde. (Durch die Jahrhunderte dienen katholische Klöster als Verschwörerzentralen, wie noch während des Zweiten Weltkriegs bei der Vorbereitung und Auflösung des klerofaschistischen Mörderparadieses »Großkroatien«.) 57
Die Aufständischen, die sich, Ludwigs Zug gegen die Bretonen nutzend, im Kloster Corbie sammelten, warfen dem Kaiser vor, daß er »gegen die christliche Religion ..., ohne irgeneinen Nutzen für den Staat und ohne bestimmte Notwendigkeit für die Fastenzeit eine allgemeine Heerfahrt anbefohlen und den Heertag an der äußersten Reichsgrenze für den Tag des Abendmahls des Herrn bestimmt habe«.
Die Rebellen wollten nicht nur Bernhard und die junge Kaiserin samt Anhang, sondern auch den alten Kaiser entfernen und womöglich Lothar an seine Stelle setzen.
Judith wurde nach verschiedenen Peinigungen sogar mit dem Tod bedroht und zu dem Versprechen gezwungen, den Kaiser zu nötigen, sich das Haar scheren zu lassen und ins Kloster zu gehn. Sie selbst mußte den Schleier nehmen und bei den Nonnen des hl. Kreuzes (St-Croix) in Poitiers verschwinden. Ihre Brüder, die Welfen Konrad und Rudolf, wurden, um sie politisch auszuschalten, zu Mönchen geschoren und, in König Pippins Gewahrsam, in aquitanische Klöster gesteckt. Der hochverhaßte Kaiserberater Graf Bernhard von Barcelona und Herzog von Septimanien, der »Schänder des väterlichen Ehebettes« (Astronomus), rettete sich mit Ludwigs Zustimmung nach Spanien. (Karl der Kahle ließ 844 den einstigen Günstling seiner Mutter als Hochverräter köpfen.) Bernhards Bruder Heribert, angeblich mitschuldig, wurde »mit dem Verlust der Augen bestraft« und nach Italien in Haft geschleppt, sein Vetter Odo exiliert.
Ludwig und den kleinen Karl nahm Lothar »in freie Haft«. Von ihm beauftragte Mönche des Médardklosters bei Soissons suchten den Kaiser mit dem Asketenleben bekannt zu machen und zum freiwilligen Eintritt in ihren Stand zu bewegen. Doch der fromme Ludwig war jetzt weit davon entfernt.
Lothar, der zwar den Anhang der eingesperrten Fürstin hartnäckig verfolgte, vermied es immerhin auf der Reichsversammlung zu Compiègne im Mai 830, den Vater selbst ganz zu entmachten. Er begnügte sich damit, dessen Verfügungen aus dem letzten Jahr zu annullieren, und mochte im übrigen glauben, das Heft in der Hand zu haben. Doch während die Großen sich immer mehr verfeindeten, jeder nur seinen Nutzen suchte, die Lage sich nicht besserte und der Mißmut über die neue Regierung wuchs, gelang des dem Kaiser, seine beiden jüngeren Söhne gegen den Älteren aufzustacheln. Durch einen gewissen Guntbald, einen Mönch, bot er Ludwig und Pippin eine Vergrößerung ihrer Reichsteile an, womit er sie schnell auf seine Seite und die bisher Verbündeten auseinander brachte,
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