Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
an seinen spanischen Legaten, Leute für einen Kreuzzug gegen die Mauren in Spanien zu werben, das er ganz der Kirche unterwerfen wolle, da es »alter Besitz Petri« sei und niemandem als allein dem »apostolischen« Stuhl unterstehe. Gleichzeitig sandte er den Kardinal Hugo Candidus aus, wobei er ebenfalls »Petri uraltes Besitzrecht« auf die Halbinsel betonte. Ganz offensichtlich bezog er sich damit auf die »Konstantinische Schenkung« (IV 14. Kap.). »Denn was einmal nach dem Willen Gottes in das Eigenthum der Kirchen in gerechter Weise gelangt ist, das wird, so lange die Sache überhaupt bestehen bleibt, durch den Umstand der vorüberziehenden Zeit, zwar aus deren Gebrauche, nicht aber aus ihrem Rechte, außer es habe eine gesetzmäßige Bewilligung stattgefunden, losgerissen werden können.« Ohne an die in Spanien bereits bestehenden christlichen Reiche auch nur zu erinnern, verfügte Gregor kraft bloßer Behauptungen einfach über das Land.
Der nordfranzösische Graf Ebulo von Roucy (aus der Champagne) – nach dem Urteil des Abtes Suger von Saint Denis einer der übelsten Raubritter, der sich schon mit Alexanders II. Segen zum frommen Werk gerüstet – sollte zu Ehren des hl. Petrus in Spanien einfallen und alles innehaben, dies war vertraglich vereinbart, was er den »Ungläubigen« entreiße. So rückte Ebulo denn auch mit großem Heerbann aus. Doch offenbar wurde die Expedition ein Fehlschlag; keine Chronik berichtet davon, ja, Kardinallegat Hugo Candidus, vordem ein enger Anhänger Gregors, sogar der eigentliche Papstmacher (S. 246 f.), erscheint bald danach als dessen leidenschaftlicher Widersacher. 35
Schon in seinem ersten Papstjahr zerstritt sich Hildebrand auch mit Robert Guiscard; offenbar wollte jeder mehr Land, als ihm der andere zugestand. Der Heilige Vater bannte den Normannen auf der Fastensynode 1074 und rüstete zugleich zum Krieg wider ihn. Von allen Seiten rief er Hilfe herbei, und die meisten versprachen sie auch – der hl. Petrus werde sie belohnen, schrieb er.
Ein Kreuzzug mit zwei Damen fällt ins Wasser
Gregors Hunger nach Krieg – falls es, doch das ist die Regel auch bei andren Herren, nicht nach seinem Kopf ging – war so groß, daß er zur selben Zeit, als er militärische Attacken gegen Robert Guiscard (eventuell auch gegen den französischen König) plante, überdies eine Orientinvasion erwog.
Heiligkeit ventilierte durch das ganze Jahr 1074 nichts Geringeres als einen aufwendigen Kreuzzug zunächst wider die Türken zur angeblichen Befreiung des byzantinischen Reiches, dann zur Eroberung Jerusalems, wobei Gregor zugleich die Rückgewinnung der seit 1054 getrennten Ostkirche erhoffte. Monate, vielleicht Jahre ging er damit um. Denn, so verbreitete er am 1. März 1074, von vielen erfahren zu haben, »daß das Volk der Heiden kraftvoll gegen das christliche Imperium erstarkt ist und mit beklagenswerter Grausamkeit schon beinahe bis an die Mauern von Konstantinopel heran alles verwüstet, in tyrannischer Gewalt besetzt und viele tausend Christen wie Vieh getötet hat«. Ähnlich schrieb er am 7. Dezember 1074 an Heinrich IV.: ein sehr großer Teil der Christen werde »durch ein unerhörtes Gemetzel von den Heiden vernichtet und wie Vieh in einem fort täglich hingeschlachtet und so das christliche Volk zunichte«. Darum wollte er von Italien bis Dänemark 50000 Glaubenskämpfer sammeln und dann selber als »Heerführer und Bischof« (dux et pontifex) an die Spitze der Truppe treten (me pro duce habere ...), während König Heinrich unterdessen den Schutz der römischen Kirche übernehmen sollte – »damit Du sie nicht nur als Deine heilige Mutter bewachest, sondern auch ihre Ehre verteidigest«. Kein Wunder, daß Gregor jetzt dem König eindringlich seine aufrichtige Liebe erklärt.
Um den Orientkrieg aber führen zu können, beteuert der Heilige nicht nur, die Christen müßten im Osten »wie Tiere« (quasi pecudes) leben, sondern auch, sie würden zu Tausenden umgebracht, »obwohl«, so Katholik Kühner, »auch nicht ein Schimmer dieser grotesken Behauptung zutraf«. Tatsächlich flohen dort zwar viele Armenier vor den Türken, ungezählte Christen aber traten zum Islam über (freilich ein Kreuzzugsgrund!), widerfuhr später ja selbst bei der wiederholten Einnahme Jerusalems durch die Türken keinem Christen ein Leid.
Gregor VII. jedoch wollte »mit bewaffneter Hand ... bis zum Grab des Herrn unter dessen eigener Führung« ziehn. Und natürlich wollte auch er
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