Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
protestierte nicht gegen das päpstliche Verbot, er ignorierte es. Wie immer investierte er die Bischöfe Huzmann von Speier, Heinrich von Lüttich, Ruotpert von Bamberg. Ebenso ernannte er neue Äbte in Lorsch und Fulda, wo man sich bei der Abtswahl, meldet Lampert, »mit aller Kraft um die Wette« anpries: »der eine versprach goldene Berge, der andere ungeheure Lehen aus den Fuldaer Besitzungen, ein dritter außergewöhnliche Dienstleistungen für das Reich, und alle wahrten nicht Maß noch Ziel in ihren Angeboten« – bis Heinrich dem Ehrgeiz der Kandidaten kurz entschlossen ein Ende machte. 42
Und dann mischte sich der deutsche König eben in Italien ein, und zwar in dem für Gregor empfindlichsten Punkt.
Der Papst hatte zunächst noch abgewartet und zögerte wohl um so mehr, als Heinrich erst Anfang Juni die Sachsen geschlagen (S. 242 ff.), als ihr Übermut, wie ihm Gregor im September schreibt, »nach Gottes Urteil von Dir zerschmettert worden ist«. Zwar schmerzlich für den Heiligen Vater, »weil vieler Christen Blut vergossen« wurde; um Heinrichs willen aber erfüllt es ihn »mit Freude«. Doch wie in Deutschland ernannte und investierte der Salier auch in Italien neue Prälaten, nicht nur im Norden, in Mailand, sondern auch in Mittelitalien, in Fermo und Spoleto, nur hundert Kilometer von Rom entfernt.
Gregor reagierte zusehends unfreundlich. Er drohte dem König, daß es schwer sei, »sich der heiligen römischen Kirche zu widersetzen, der Ihr stets wie einer Mutter gehorchen müßt«. Er unterbrach die Krönungsverhandlungen, stellte eine Art Ultimatum und deutete bereits die Möglichkeit von Heinrichs Absetzung an. Damit gewann der fast ein halbes Jahrhundert dauernde Investiturstreit, der Machtkampf zwischen Königtum und Päpsten, allmählich deutlichere Formen.
Man ersieht das aus einem Brief Gregors vom 8. Dezember 1075 (die Datierung ist nicht ganz sicher), in dem er zwar dem »König Heinrich Gruß und apostolischen Segen« sendet, aber mit dem Zusatz, »wenn anders er dem apostolischen Stuhl gehorcht, wie es einem christlichen König ziemt« (ut christianum decet regem). Das tue er jedoch nicht, sondern halte »wissentlich Gemeinschaft mit Exkommunizierten« und habe deshalb auch »eine angemessene Buße für diese Schuld« zu leisten. Zwar schicke der König ihm »zahlreiche Briefe voll Ergebenheit«, auch Gesandte, die ganz ähnlich tönten, erweise sich »in der Sache selbst aber und im Tun als spröde ..., als widerstrebend«. Durch die Übertragung gar der Kirchen von Fermo und Spoleto füge er ihm »Wunde auf Wunde« zu und hätte ihm doch gut angestanden, »mit einiger Ehrerbietung auf den Leiter der Kirche, nämlich den heiligen Apostelfürsten Petrus zu schauen. Falls Du zu den Schafen des Herrn gehörst, bist Du ihm durch das Wort und die Macht des Herrn übergeben, daß er Dich weide ...«; müsse er sich vorsehen, daß er »nicht uns, sondern dem allmächtigen Gott nicht die schuldige Ehrerbietung« verweigere. Und wie wohl in jedem seiner Schreiben zitiert er die Bibel, wie er sie braucht: »Wer Euch hört, hört mich, und wer Euch verachtet, verachtet mich.«
Denn stets baut der Papst, wie alle seinesgleichen, Gott, Christus, den hl. Petrus effektvoll hinter sich auf, vervielfacht er so sein Gewicht, seine Geltung gleichsam unendlich. Jeder Ungehorsam des Königs, suggeriert er diesem, treffe nicht ihn, Gregor, sondern »den Apostelfürsten, den Meister der Kirche, den heiligen Petrus«. Und ermahnt auch gegen Schluß noch einmal den König »in väterlicher Liebe, die Herrschaft Christi über Dich anzuerkennen und zu bedenken, wie gefährlich es ist, Deine Ehre seiner Ehre voranzustellen ...«.
Immer bauen die römischen Hierarchen um sich das »Höhere« auf. Denn nicht um sie geht es doch, nein, um den hl. Petrus, Christus, um Gott selbst! Das alte metaphysische Schmierentheater, das man (ja nicht nur in Rom) den Völkern und ihren Führern vorspielt durch die Jahrhunderte – man lese die kläglich grandiose Beschwatzung Pippins durch Papst Stephan II. (IV 381 ff., bes. 386 ff!). Natürlich hatten sich nicht nur die Zeiten etwas geändert. Heinrich wies den päpstlichen Legaten »unter schweren Beschimpfungen ab« (Lampert) und kolportierte in öffentlichen Kundgebungen, der Papst habe ihm sagen lassen, daß entweder er, Gregor, sterben oder aber ihm, Heinrich IV., Leben und Reich entreißen wolle.
»Steige herab, steige herab, du ewig Verdammter!«
Die Reaktion des
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