Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Sarazenen und Normannen (1074) förderndes Regiment geführt, hatte überhaupt, wie Gregor selbst bekennt, die römische Kirche »ganz und gar« unterstützt (penitus – ein Adverb, das eng mit penis zusammenhängt, wörtlich tief hinein bedeutet, bis auf das Innerste). Und als Mathildes Mutter 1076 starb, im selben Jahr, in dem auch Mathildes Mann so brutal verblich (S. 280), wurde sie eine der stärksten Stützen des Heiligen Vaters, politisch, militärisch, wie auch immer. Denn vielleicht sah die vaterlos Aufgewachsene in dem faszinierend gebieterischen Hierarchen ja nicht nur den Heiligen Vater.
Und vielleicht überhaupt nicht nur den Vater. (Erst nach Gregors Tod schloß sie auf Wunsch Papst Urbans II. eine politisch motivierte Scheinehe mit dem 25 Jahre jüngeren siebzehnjährigen Welf V.)
Zu Gregors Zeiten lebte Mathilde, so erzählt der Hersfelder Mönch, »in einer Art Witwenstand« und hielt sich »ständig an der Seite des Papstes als seine unzertrennliche Begleiterin und verehrte ihn mit außerordentlicher Zuneigung. Da nun ein großer Teil Italiens ihrer Herrschaft unterstand und sie an allen Gütern, die die Sterblichen als die höchsten schätzen, weit mehr besaß als die übrigen Fürsten des Landes, war sie stets rasch bei der Hand, wenn der Papst ihre Hilfe brauchte, und gewährte ihm wie einem Vater oder Herrn eifrig ihre Dienste. Daher konnte sie dem Verdacht unzüchtiger Liebe nicht entgehen, denn die Anhänger des Königs und besonders die Geistlichen, denen der Papst die unerlaubte, wider die kanonischen Gesetze verstoßende Ehe verbot, streuten überall aus, der Papst suhle sich Tag und Nacht schamlos in ihren Umarmungen, und sie sei durch die verstohlene Liebe zum Papst so gefesselt, daß sie nach dem Verlust ihres Gatten eine zweite Vermählung ablehne. Doch allen Vernünftigen war es sonnenklar, daß diese Beschuldigungen falsch waren.« 38
Natürlich hat Lampert dafür handfeste Beweise.
Zunächst einmal den Papst selbst. Denn sein »so reines, so apostolisches Leben« – die Apostel waren bekanntlich verheiratet und führten ihre Frauen noch auf ihren Missionsreisen mit –, »die Erhabenheit seines Wandels«, das war von vornherein über jeden Verdacht erhaben; zumal ja auch sonst die Heiligen Väter, dürfen wir ergänzen, durch die Jahrhunderte ganz so zölibatär lebten wie ihr Klerus. Weiter hätte ein Verhältnis am Hof und »in der volkreichen Stadt« überhaupt nicht verborgen bleiben können; denn derartiges, zumal mit einem Papst, spielt sich doch allemal in aller Öffentlichkeit ab. Und endlich insistiert unser Mönch auf die häufig durch Gregor gewirkten Zeichen und Wunder, seinen glühenden Eifer für Gott und die Kirche; nein, all dies sicherte ihn »hinlänglich gegen die giftigen Zungen der Verleumder«. 39
Mathilde wurde von den Gregorianern als miles s. Petri, als eine Deborah und Jael gefeiert. Und schenkte sie sich dem Heiligen Vater, der sie seinerseits, immerhin, »auf jede uns mögliche Weise lieben« wollte und liebte, vielleicht auch nicht selbst – dies dürfte ein immerwährendes Geheimnis bleiben –, so schenkte sie doch ihm bzw. der römischen Kirche gegen 1080 ihr gesamtes gewaltiges Eigengut in Italien und Lothringen, wenn sie auch das volle Verfügungsrecht darüber behielt.
Nicht uninteressant ist Gregors Brief an Mathilde vom Dezember 1074. Hier schreibt er nämlich, wie er »vor Scham erröte«, irgend jemandem zu sagen, wie sehr er trachte und wünsche, das Meer zu überqueren, um den durch die Heiden wie das Vieh abgeschlachteten Christen mit Christi Gunst zu Hilfe zu kommen. Warum aber errötet Gregor dabei? Niemandem wagt er es zu gestehen – nur Mathilde. »Doch zögere ich nicht, dergleichen Dir mitzuteilen, oh teuerste Tochter voll Liebe; wieviel ich von Deinem Eifer und Deiner Klugheit nach Möglichkeit erwarte, könntest Du selbst kaum in Worte fassen.« Und fleht, »lasse es Dir zutiefst angelegen sein, soweit Du nur kannst, Deinen Rat, ja Deinem Schöpfer Hilfe zu gewähren ...«. Mathildes Mutter müsse zu Hause bleiben »zum Schutz der gemeinsamen Angelegenheiten«; aber »viele Krieger«, glaubt er, kämen mit und auch die Kaiserin »um des Gebetes willen«. Und er würde »sehr gerne im Schmuck solcher Schwestern das Meer überqueren, um für Christus notfalls mein Leben einzusetzen, zusammen mit Euch, die ich mir stets im ewigen Vaterland verbunden wünsche«. Und drängt zum Schluß wieder: »Laß es Dir angelegen sein,
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