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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Küste am nördlichsten Arm der Maas. »Er war eines Nachts, als alle schliefen, zur Verrichtung eines natürlichen Bedürfnisses abseits gegangen, da stieß ihm ein draußen lauernder Meuchelmörder das Schwert ins Gesäß und ließ es in der Wunde stecken, dann machte er sich eiligst aus dem Staube. Der Herzog überlebte die Verwundung kaum sieben Tage.« (Es war in edlen Adelskreisen nicht so unbeliebt, den Gegner beim Fäkalieren abzustechen: vgl. etwa V 318.) Immerhin nannte selbst Königsfeind Lampert den so grauenhaft abgemurksten Königsfreund »eine kraftvolle, starke Stütze des deutschen Reichs, denn obgleich er wegen seiner kleinen Gestalt und seines Höckers wenig achtunggebietend erschien, überragte er doch, wie schon oft gesagt, die übrigen Reichsfürsten weit an glänzendem Reichtum, an Menge tapferster Krieger, an reifer Klugheit und endlich an Maßhalten in der ganzen Lebensführung«.
    Die Ermordung des Fürsten war ein unersetzlicher Verlust für den König. Und sie war ein Glücksfall für den Papst, nämlich die »Hinwegräumung eines ernsthaften Hindernisses für die von Gregor VII. in das Auge gefaßten Pläne«. Und Mathilde, die damals etwa dreißigjährige Witwe des allenfalls wenige Jahre älteren Gottfried, war jetzt in der Lage, noch rücksichtsloser als bisher »alles, was sie vermochte, für den Sieg Gregor's VII. in Bewegung zu bringen« (Meyer von Knonau), der freilich häufig für das Seelenheil des Ermordeten betete, und das auch noch auf Bitte Mathildens. Es klingt wie aus einer Heiligenlegende.
    Die Front des deutschen Episkopats aber weichte jetzt auf, womit Gregor gerechnet hatte. Die Majorität, von zwei päpstlichen Legaten überschüttet mit Belegen »aus verfälschter Geschichte und erfundenen Urkunden in Menge« (Haller), fiel vom König ab. Einer nach dem andern gab klein bei, zuerst Otto von Konstanz, dann der Mainzer Metropolit Siegfried, darauf die Oberhirten von Kamerijk, Lüttich, Münster und Speyer, dazu viele Äbte. Manche, wie Bischof Hermann von Metz, ließen Heinrichs hohe sächsische Gefangenen frei. Andere, wie Bischof Pibo von Toul und Huzmann von Speyer, krochen gar in Rom zu Kreuz. Auch die Opposition der Fürsten wuchs, zumal in Sachsen; doch auch die Herzöge von Schwaben, Bayern und Kärnten erklärten, Heinrich nicht mehr als König anzuerkennen, sei er nicht bald vom Bann gelöst. Fürsten und Kirchenfürsten suchten Kontakt zum Papst, der bereits die Wahl eines andren Königs erwog, der immer mehr obenauf kam, mit jedem Erfolg schroffer wurde, das Kesseltreiben dirigierte, im nächsten Jahr sogar selbst nach Deutschland reisen wollte, um ein schiedsrichterliches Urteil zu sprechen, das, wie die Dinge nun einmal lagen, nur auf Heinrichs Absetzung oder totale Unterwerfung hinauslaufen konnte. Dabei wollte der streitbare Gregor, wie er »hoch und niedrig im deutschen Reich« versichert, »auch Widriges und, wenn nötig, selbst den Tod für die Freiheit der heiligen Kirche und das Wohlergehen des Imperium« ohne Zögern auf sich nehmen. 45

Canossa

    In diesem äußerst bedrohlichen Augenblick entschloß sich der König zu einem überraschenden Coup, einem der berühmtesten Fürstenwege und -auswege der Weltgeschichte, zur Flucht nach vorn, zur Verhinderung des Papstbesuches in Deutschland durch seine Lösung vom Bann und seine Wiederaufnahme in die Kirche.
    Mitte Dezember 1076 brach Heinrich von Speyer auf, reiste, da ihm die Fürsten Rudolf, Welf und Berchtold die Alpenpässe sperrten, durch Burgund, dessen Grafen ihm verwandtschaftlich verbunden waren, und überschritt dann, wofür ihm seine Schwiegermutter, die Markgräfin Adelheid von Turin, unverschämte Zugeständnisse abtrotzte, mitten im eisigen Winter, an der Seite seiner Frau, seines noch nicht dreijährigen Söhnchens Konrad und verhältnismäßig weniger Getreuer den Mont Cenis, teilweise mehr kriechend als steigend, die Königin und ihre Frauen angeblich auf Ochsenhäuten gezogen. Die meisten Pferde gingen zugrunde.
    Die deutschen Großen hatten Gregor mehrmals gebeten, zu ihnen zu kommen, zuletzt bis zum 2. Februar 1077 auf einem im August anberaumten Reichstag.
    Der Papst hatte sich beeilt, so sehr er konnte, wobei ihm das Geleit seine junge Freundin, die toskanische Markgräfin gab. Doch als er bereits bis Mantua gekommen, wich er beim Nahen Heinrichs auf Mathildes Burg Canossa aus, eine uneinnehmbare Bergfeste am Nordabhang des Apennin (bei Reggio), von der heute nur noch Ruinen

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