Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
aus in See. Zur selben Zeit, unmittelbar vor dem hochheiligen Pfingstfest, erschien Heinrich IV. vor Rom, in seinem Heer nicht nur der zu inthronisierende Papat Wibert, sondern auch die Erzbischöfe von Mailand, Hamburg-Bremen, Reims, der italienische Kanzler Bischof Burchard von Lausanne, Bischof Benzo von Alba und wohl weitere, vor allem lombardische Prälaten. 70
Heinrich hatte schon vor seinem Eintreffen vergeblich versucht, die Römer für sich einzunehmen. Doch sie wollten ihren Papst, nicht Wibert von Ravenna, und so stand der König vor verschlossenen Toren, sah er, so ein gregorianischer Geschichtsschreiber, »Lanzen statt Wachslichter, Bewaffnete statt der Chöre der Geistlichen«, hörte er »Schmähungen statt der Lobsprüche, wildes Geschrei statt der Beifallsbezeugungen«. Und da er mit seiner kleinen Truppe Rom kaum erstürmen konnte, verbrachte er die nächsten Wochen mit der Verwüstung der Umgebung und rächte sich nach seinem Abzug vor allem an der Papstfreundin Mathilde. In einer Gerichtsverhandlung in Lucca wurde unter seinem Vorsitz die Gräfin des Hochverrats für schuldig, ihrer Lehen und Güter verlustig erklärt, geächtet und ihr Land, seit dem vergangenen Jahr bereits dem Papst vermacht, anderen zugesprochen. 71
Schon früh im nächsten, 1082, zog der König abermals vor Rom. Wieder hatte er einen Haufen hoher Pfaffen in seinem Heer. Wieder hatte er die Römer, alle Kardinäle, Geistlichen und Laien, durch einen vorausgeschickten Aufruf beschworen, wieder an ihre Gerechtigkeit appelliert und geschrieben, wenn es recht sei, einen Priester beizubehalten, so sei es auch recht, einem König zu gehorchen. Da aber der von Gott eingesetzte König wieder nicht in die Stadt des von Gott eingesetzten Papstes kam, verheerte er wieder ringsum alles aufs äußerste, Häuser, Felder, Obstgärten, Weinberge. Und als er selbst bei Beginn der wärmeren Jahreszeit abzog, beauftragte er seinen Papst, den Erzbischof Wibert von Ravenna, gestützt auf feste Plätze und königliche Truppen, mit dem Terror rings um Rom fortzufahren durch dauerndes Plündern, Brandschatzen, Verwüsten, aber auch durch Verstümmeln und Töten. 72
In Rom kam Gregor VII. inzwischen in größere Bedrängnis. Seine Hoffung auf Robert Guiscard hatte getrogen. Der Normanne drang einstweilen weiter gegen Konstantinopel vor. Und Gregor, das schlimmste, ging das Geld aus; denn der Goldstrom von außen war unterbrochen. Und welche Summen hatte er schon für Totschläger ausgegeben! So versuchte er offensichtlich, durch Verpfändung von Kirchengütern weitere Mittel zu beschaffen. Da aber taten sich siebzehn namentlich bekannte Kardinäle, Bischöfe, Erzpriester und ein Abt gegen den Papst zusammen und erklärten Anfang Mai, »daß die heiligen Besitzthümer der Kirchen in keiner Weise für weltlichen Kriegsdienst verwendet werden dürften«, was sie durch Beispiele aus der Bibel belegten. Das freilich hat Gregor wohl weniger gestört als der Protest gegen seine begehrte Einnahmequelle. Doch half ihm die Freundin seines Lebens. Beraten von Bischof Anselm von Lucca, schmolz sie den gesamten Schatz ihrer Hauskapelle auf Canossa ein, und alsbald erhielt der Heilige Vater immerhin neun Pfund Gold und siebenhundert Pfund Silber für seinen Krieg wider König und Gegenpapst. Und auch Robert Guiscard schickte angeblich dreißigtausend Denare. 73
Jahr für Jahr kriegte Heinrich IV. in Italien, stürmte er Rom, das seit Totila keine so lange Belagerung mehr gesehen hatte und dabei fast zugrunde ging. »Die Städte wurden verheert, die Kirchen verbrannt; der Fanatismus artete in die Wut eines Religionskrieges aus« (Gregorovius). Und während Clemens III. von Tivoli aus besonders die Campagna verwüstete und ringsum allmählich alles von Gregor abfiel, die Sabina, das Kloster Farfa, Fürst Jordan von Capua, sogar ein enger Vertrauter des Papstes, der Abt Desiderius von Monte Cassino, der größten Grundherrschaft Süditaliens, und Gregor den Fürsten und den Abt exkommunizierte, geriet er immer mehr in Isolation.
Zu Beginn des Jahres 1083 zog Heinrich IV. zum drittenmal zum Angriff heran. Mehrere Stürme scheiterten zunächst, ebenso freilich, mißlang ein Ausfall der Römer. Doch am 3. Juni eroberte der König die Leostadt und brachte damit, nach einem überaus blutigen Gemetzel um und in St. Peter, auch dieses in seine Gewalt, was viel beachtet wurde. Über andere Stadtgebiete, den Lateran, die Engelsburg, gebot jedoch weiter der Papst, der
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