Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Sturz seiner Gegner in Kürze prophezeit hatte, propagierte er, um einiges dazu zu tun, einen Feldzug gegen das Bistum seines Nebenbuhlers: Gräfin Mathilde, die eben damals ihr gewaltiges Allodialgut in Italien und Lothringen dem Papst geschenkt und es als Lehen auf Lebenszeit zurückerhalten hatte, sollte Ravenna von Norden her angreifen, er selber wollte an der Spitze eines Heeres von Süden aus vorgehen. 65
Selbstverständlich sah sich der hl. Papst auch anderweitig nach Kriegern um. Und wieder einmal sollten vor allem die Normannen für ihn einspringen. Rasch löste er jetzt Robert Guiscard vom Bann, ließ sich persönlich am 29. Juni 1080 den Lehnseid leisten und duldete Robert sogar in den von ihm eroberten Gebieten. Er bekam Apulien, Kalabrien und Sizilien, wofür er jährlich Zins zu zahlen und die Kirche zu schützen hatte. Er wurde Gefolgsmann »von Gottes und S. Peter's Gnaden«, und länger als 600 Jahre blieben seither die Könige beider Sizilien Vasallen des Papstes.
Im Herbst 1080 sollte Wibert militärisch erledigt werden. Doch wieder fehlten Gregor die Truppen, wieder konnte er sich nicht an die Spitze einer Streitmacht stellen, war Robert Guiscard doch vollauf befaßt mit der Vorbereitung einer Offensive gegen den Kaiser von Konstantinopel. Und im nächsten Jahr wollte Gregor, der Heinrich »niemals in unglücklicherer Lage« glaubte, weshalb er auch den Herzog Welf »für die Sache des Heiligen Petrus« einzuspannen, auch Welf »ganz in den Schoß des heiligen Petrus aufzunehmen« suchte, den Normannen erneut in einen Krieg treiben. Ja, es pressierte ihm so sehr, daß er nicht zögerte, Robert zu fragen, ob er bereits zur Fastenzeit, in der die Normannen sonst nicht kämpften, auch die Kirche selbst Kriege verpönte, »Gott seinen Waffendienst zum Geschenk darbringen wolle, indem er mit dem Papste oder seinem Legaten in Heeresrüstung ins Land des hl. Petrus zöge, um die Guten zu bestärken und die Rebellen durch Schrecken oder Gewalt zur römischen Kirche zurückzurufen«?
Aber der Kriegszug nach Ravenna scheiterte. Robert Guiscard sandte nicht die versprochene Hilfe, sondern stieß im Sommer 1081 ins byzantinische Reich vor, überquerte das adriatische Meer, besetzte Korfu und die griechische Westküste. Und kurz nachdem Gregor den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch seiner Feinde prophezeit hatte, wurden Mathildens Truppen am 15. Oktober 1080 von den königstreuen Lombarden bei Volta (nahe Mantua) empfindlich geschlagen. Bald darauf erschütterten Aufstände ihre Herrschaft, ja, man hielt sie gar für verrückt.
Der Heilige Vater aber kam in Italien so wenig zum Zug wie im selben Jahr mit seinem Kriegsplan gegen König Alfons VI. von Kastilien, einen Monarchen, der zwar die römische Liturgie eingeführt, auch die große Pilgerstraße nach Santiago de Compostela wiederhergestellt und gesichert hatte (S. 485), jedoch die »Simonie« duldete und den päpstlichen Legaten ungebührlich behandeln ließ. So drohte Gregor nicht nur, alle Getreuen des hl. Petrus in Spanien wider den König aufzuwiegeln, sondern gegebenenfalls dort auch selbst gegen den Fürsten, den Feind der Christenheit, scharf vorzugehen (dura et aspera moliri). 66
Ebenso blitzte der Papst bei König Wilhelm von England ab, den er nur zu gern in den Kampf gegen Heinrich IV. hineingerissen hätte. Doch mochte Gregor dem König noch so sehr und stets von neuem seine besondere Liebe beteuern, mochte er Gehorsam fordern, ihre frühere Freundschaft beschwören, seine Hilfeleistung bei der Eroberung Englands, mochte er Wilhelm als »Edelstein unter den Fürsten« feiern und ihm die schönsten Versprechungen machen: »Nicht nur die Herrlichkeit des ewigen Lebens, sondern auch diejenige in dieser Welt wird Dir und Deinen Erben, in Sieg, Ehre, Macht, Größe, reichlicher vom Himmel erteilt werden« – alles vergebliche Liebesmühe. Der König war zwar bereit zur Ablieferung des »Peterszinses«, aber nicht zu Ablegung des Lehnseides, mochte er England auch unter der Fahne des hl. Petrus erobert haben.
Und gleichfalls erfolglos war Gregors Werben bei dem dänischen König Harald Hein, dem Nachfolger Svends. Denn Harald, den der Papst schon früher wegen Waffenhilfe angegangen und den er jetzt, seinerseits erneut Beistand erhoffend, vom Vergänglichen auf das Ewige hinwies, hatte sich schon dahin aus dem Staub gemacht. 67
Die Schlacht an der Elster, ein neuer Gegenkönig und Heinrichs IV. Sturm auf Rom
Inzwischen waren in
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