Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
...«.
Verfolgung ist gut. Besser, selbstverständlich, die Verfolgung der andern, das Fertigmachen der Andersdenkenden, aller Andersgläubigen, aber auch der Opposition in den eigenen Reihen. Gregors Bannflüche flammten wie Blitze über die Länder, und er exkommunizierte selbst die Nachfahren noch bis in das siebente Glied! Er hat oft die Wahrheit und Gerechtigkeit im Mund geführt, doch selber insgeheim die Lüge nicht verworfen, sondern sich ihrer bedient. »Er log und fälschte die Dokumente, die er zitierte« (Mc Cabe). Und es ist bezeichnend, daß seine skrupellose Finanzpolitik, die in allen Tonarten gemachten Vorwürfe seiner Gegner über seine Bestechungen, seine Käuflichkeit, seine Entwendung von Kirchenschätzen (vor allem zu Kriegszwecken) von der gregorianischen Partei nur sehr selten bestritten worden ist.
Gewiß wurde viel über ihn gelogen – von Christen, von Katholiken, wohlgemerkt. Und nicht alle Geschichten über seine Greuel, über fast grundlose Hinrichtungen und Torturen, treffen zu. Doch mag es auch nicht oder nur halbwahr sein, daß Menschen, wie Wido von Ferrara, das Brixener Dekret, die gesta romanae ecclesiae u.a. berichten, auf seinen Befehl gefesselt in einen mit Nägeln gespickten Raum geworfen, mehrere seiner Vorgänger vergiftet wurden: Gregor war hart bis zur Brutalität. Als einst ein Abt ungehorsamen Mönchen Augen und Zunge herausreißen ließ und deshalb bestraft worden ist, tadelte diese Bestrafung als einziger der hl. Gregor und beförderte später die Abtsbestie zum Bischof! 64
Verfolgen ist gut. Doch genügte dem Papst das Foltern und das Schwert des Anathems noch nicht. Er glaubte, wie etwa auch jetzt, im Fall des Gegenpapstes, noch ein anderes Schwert in petto zu haben, um »die heilige Kirche von Ravenna«, die früher »durch die Pflege der Religion glänzte«, zurückzugewinnen, sie »den Händen der Gottlosen zu entreißen«. Denn wer gegen ihn war, auch als Christ, Katholik, Bischof, war schlechthin gottlos, und insofern, als sich alles um ihn wie um einen Gott drehte, drehen sollte, sogar mit einem gewissen Recht.
Aus »knechtischer Bedrückung, ja tyrannischer Knechtschaft« wollte Gregor Ravenna erlösen zur »früheren Freiheit«. Denn so wie Gott bei ihm war, mit ihm, in ihm, so auch, ausgerechnet, die Freiheit, und auch sie wieder nur bei ihm.
Gregor spricht, wie alle Verknechter, gern von Freiheit, der »Freiheit der Kirche«, der »christlichen Freiheit«. Und natürlich plante er wieder einmal einen Feldzug, einen Krieg im Herbst gegen Wibert von Ravenna – »wir werden mit einem Heer, wie wir vom Herrn erhoffen, in jene Gegend ziehen und vertrauen unzweifelhaft darauf, sie mit seiner Hilfe zu befreien«.
Da paßte ein Ereignis zu gut in die Regie, als daß man darin ein Wunder erblicken könnte, was es freilich war – die plötzliche Auffindung des hl. Apostels Matthäus (!) in Salerno, die den angriffslustigen Stellvertreter Christi so hoffnungsfroh stimmte. Glaubte er doch, wie er am 18. September gegenüber Erzbischof Alfanus von Salerno schwärmt, nun würden alle Heiligen, der ganze Himmel samt der Gottesgebärerin Maria dem Menschengeschlecht (das hier wohl für Gregor steht) »viel geneigter« sein. Und konnte das Mirakel von Salerno nicht auch seine falsche Prophezeiung, König Heinrichs Fiasko bis zum 1. August, ein wenig in Vergessenheit geraten lassen, auch wenn er gleich eine neue Voraussage damit verband, das nahe Ende der »Bosheit des Gegners«, seine »verdiente Vernichtung«, was aber genausowenig geschah.
Im übrigen hatte Gregor keinen Augenblick mit der Verfluchung und Absetzung seines Gegners gezögert. Und obwohl Wibert bzw. Clemens III., der mit den Grafen von Canossa verwandte einstige Reichskanzler von Italien Freunde und Feinde gleichermaßen beeindruckte, obwohl er selbst von politischen und kirchlichen Gegnern als gelehrt und sittlich integer anerkannt worden ist, erging sich Gregor in Diffamierungsexzessen. Der Mann, der alle Bischöfe und Menschen überhaupt einzig und allein danach beurteilte, ob sie ihm zu Willen waren, ihm sich unterordneten oder nicht, nannte den Rivalen einen meineidigen, weltbekannten Gangster, einen Ketzerfürsten und Antichristen, »einen gottlosen Menschen«, »im ganzen römischen Erdkreis durch seine ruchlosen Verbrechen bekannt«, nannte das Brixener Konzil eine »zweifelsfreie Versammlung des Satans« und »in dem Wissen um alle Verbrechen völlig verdorben«. Und da er erst erneut den
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