Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
– eine außerordentliche Neuerung – auch dort geweiht. Odo, von Gregor auf dessen Sterbelager als möglicher Nachfolger (u.a.) genannt, hatte erst hinterhältig gegen Viktor III. konspiriert, dann ihn gefördert. Obwohl eingefleischter Gregorianer, obwohl sofort den Seinen in Deutschland erklärend, in allem denken und handeln zu wollen wie Gregor VII., war er von diesem grundverschieden. Nie mit dem Kopf durch die Wand gehend, sondern anpasserisch, diplomatisch-verschlagen, ein schlauer rastloser Intrigenspinner, der nicht, wie der hl. Gregor, Truppen hielt und selber Kriege führte, sondern der andere für sich kämpfen ließ – seliggesprochen 1881.
Fast das ganze Jahr 1088 saß Urban II. in Süditalien.
Erst im Spätherbst wagte er mit den Normannen den Zug nach Rom, konnte aber den Tiber nicht überschreiten. Während Clemens den größten Teil der Stadt beherrschte, ließ sich Urban bis tief ins nächste Jahr auf einer Flußinsel nieder, worauf unter obligatorischen Verfluchungen beider Päpste unentwegt Straßenkämpfe tobten, einmal der eine, einmal der andere Papst, einmal beide die Stadt verlassen mußten. 101
In Deutschland nahm inzwischen der von Gregor VII. so geförderte Bürgerkrieg seinen Fortgang mit all den diversen Begleiterscheinungen, vom Elend im Gefolge der Waffen bis hin zu den Gegenkönigen, Gegenherzögen und Doppelbesetzungen nicht weniger Bistümer, den Gegenbischöfen in Paderborn, Halberstadt, Magdeburg, Passau, Salzburg, Würzburg, Metz, Konstanz.
Betrachten wir, beispielsweise, einmal die Diözese Augsburg im späten 11. Jahrhundert.
Nach dem Tod des Ortsbischofs Embriko Ende Juli 1077 kam es zu einer Doppelwahl. Domklerus, Volk sowie der angeblich größere und bessere Teil der »hochstiftischen« Ministerialität wählten den Domkanoniker und Propst Wigolt. König Heinrich erhob seinen Günstling und Kapellan Siegfried (II.), den die Augsburger Bischofskataloge auch als rechtmäßig führen, obwohl er bis zu seinem Tod Heinrichs eifriger Parteigänger blieb. Andererseits machte sich Welf IV. für Wigolt stark, der an Ostern 1078 durch den aus Mainz vertriebenen Erzbischof Siegfried und durch Gegenkönig Rudolf in Goslar die Investitur erhielt; dabei bedrohte er den von Heinrich unkanonisch für Augsburg bestellten Siegfried mit dem Kirchenausschluß.
Nun entbrannte ein jahrelanger Kampf im Bistum: »Schauplatz heftiger militärischer Auseinandersetzungen« (Horn); »Plünderungen, Zerstörungen, Metzeleien« (Zoepfl). Bischof Wigolts Bundesgenosse Welf IV. äscherte 1080 Augsburgs Vorstädte samt Peterskirche auf dem Perlach ein. 1081 belagerte der neue Gegenkönig Hermann von Lützelburg drei Wochen lang die Stadt, verbrannte die Vorstädte, verbrannte und verwüstete umliegende Dörfer, ohne den offenbar von Bischof Siegfried selbst verteidigten Ort nehmen zu können – Bischof Wigolt suchte wohl meist in Füssen Schutz.
1083 gingen erneut viele schwäbische Dörfer und Kirchen in Rauch auf, Mord und Raub herrschten. Bischof Siegfried erstürmte die welfische Burg Siebnach a.d. Wertach, setzte sie in Flammen; viele Verteidiger kamen um. Welf und Bischof Wigolt suchten anfangs 1084 Augsburg heim, trieben Schandtaten in den sogenannten Gotteshäusern, brannten drei Kapellen auf dem Bischofshof ab, ebenso die bischöfliche Pfalz und andere Gebäude. Oberhirte Wigolt leerte den Dom. Er vergriff sich am Kirchenschmuck, an dem von Bischof Embriko unter Bannandrohung hinterlassenen Schatz, den er verteilte. Auch vergab er Domherrenhäuser nebst anderen Besitzungen an Spießgesellen seines Überfalls. Doch im Sommer führte König Heinrich Bischof Siegfried mit Heeresmacht dem Jubel seiner Diözesanen zu.
1085 wurde Siegfried vom Mainzer Gegenbischof Wezilo in Mainz geweiht, in Rom aber nicht anerkannt. Vielmehr zeigte Urban II. am 13. März 1088 Bischof Wigolt seine Papstwahl an. Grund genug, sich um Augsburg erneut zu schlagen. Bischof Wigolts Bundesgenossen überfielen in einer mondhellen Nacht des 12. April 1088 die Stadt, raubten, mordeten, ruinierten, rissen die Ringmauer ein und schleppten Bischof Siegfried vom Altar weg auf die welfische Festung Ravensburg, wo er erst nach zweijähriger harter Haft gegen eine stattliche Summe wieder freikam, während Bischof Wigolt bereits am Tag nach der Erstürmung, die »Hände noch voll von Blut und Unrecht« (Liber de unitate ecclesiae conservanda), am heiligen Gründonnerstag das heilige Öl weihte ...
Allerdings geschahen nun
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