Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Bekam dieser blutrünstige Beruf, dieses legitimierte Morden doch jetzt »eine unmittelbare kirchliche Zwecksetzung, indem der Krieg im Dienst der Kirche oder der Schwachen als heilig angesehen und nicht nur für den König, sondern für jeden einzelnen Ritter zur religiösen Pflicht erklärt wurde« (Erdmann).
Am häufigsten hat Heinrich II. die Oberhirten in den Krieg gerufen, war seine Regierung ja, einem Heiligen offenbar angemessen, »der eindeutige Höhepunkt in der Heranziehung des hohen Klerus zur Heerfolge im Westen und Osten« (Auer). Und wie schon vor den Ottonen weithin in Europa Seelenführer als Schlachtführer in Erscheinung traten, so kommandierten auch jetzt unter ihnen und ihren Nachfolgern Kirchenfürsten Heeresgruppen oder ganze Heere: die Erzbischöfe von Köln und Trier im Westen, wo u.a. auch die drei sächsischen Bischöfe Bernward von Hildesheim, Thiedrich von Münster und Meinwerk von Paderborn an Feindseligkeiten beteiligt sind; die Erzbischöfe von Magdeburg (die allein zwischen 983 und 1017 dreizehn Feldzüge unternehmen, wie immer wieder auch die Bischöfe von Halberstadt) in den Slawenkriegen; der Patriarch von Aquileja, der Erzbischof von Mailand, der Erzbischof Heribert von Köln, »ein Mann von großer Heiligkeit« (er wurde tatsächlich kanonisiert) und »durch viele Wunder berühmt« (Hermann von Reichenau), in Italien, wo insbesondere der Bischof Leo von Vercelli (998–1026), dort einer der führenden Anhänger Heinrichs II., auf dessen Politik er nicht unbeträchtlichen Einfluß nahm, jahrelang immer wieder in blutigen Gefechten als Feldherr fungierte. So schloß er das Kastell von Orba ein, ebenfalls Arduin auf der Burg Sparrone, bekriegte mit den Bischöfen von Pavia und Novara den Grafen Ubert, ja mußte nach zeitweiligem Verlust die eigene Bischofsstadt zurückerobern, schied aber dann als »ein sehr kluger Herr von der Welt in seligem Frieden« (Wipo).
Gewiß gab es Proteste hoher Kleriker gegen das Kriegstreiben des Klerus.
So geißelte tief im 11. Jahrhundert Kardinal und Kirchenlehrer Damiani mit der ihm eigenen Leidenschaft, daß den Prälaten nicht ihre Geistlichen folgten, sondern waffenstarrende Krieger. »Da reitet er voran«, schreibt er von einem italienischen Bischof, »wie der Heerfürst einer heidnischen Kriegerschar, in voller Rüstung; ihm nach drängen die Haufen der Schild- und Lanzenträger.« Kirchenlehrer Damiani war ein erklärter Gegner nicht nur von heiligen, sondern von allen Kriegen.
Und vor ihm hatte auch Bischof Fulbert von Chartres (1006–1028) die Bischöfe als Tyrannen und Schlächter angeklagt. Sie verstünden sich besser als die weltlichen Großen auf den Krieg, ja, es sei geradezu ihr Hauptvergnügen, Truppen zu organisieren und Blutvergießen. Fulbert verwirft zwar nicht den Krieg der profanen Welt, aber jeden des Klerus, auch den sogenannten gerechten Krieg.
Doch zur nämlichen Zeit begeistert sich Bernard von Angers für einen Prior zu Conques, der regelmäßig an der Spitze seiner Leute ins »Feld« eilt und die Waffen gleich in seiner Zelle behält, natürlich »nur aus Eifer für Gott, zur Verteidigung des Guten und zum Schutz seines Klosters«. Und im selben Jahrhundert wird Erzbischof Burchard von Vienne noch auf seinem Grabstein als kriegsruhmreicher Kirchenfeldherr glorifiziert, und dies sogar durch den Mund des Heiligen Geistes – gleich hinter den Märtyrern zieht der klerikale Militär samt Siegespalme in den Himmel ein. 33
Das gute Beispiel der Päpste
Natürlich war das Kriegstreiben des hohen Klerus nicht zuletzt deshalb möglich, weil auch die Päpste, entgegen der eigenen Kirchenlehre, damit einverstanden, ja selbst daran, indirekt und direkt, Land- und Seeschlachten leitend, beteiligt waren.
Bereits Gregor I. (590–604), der einzige Heilige Vater mit dem Beinamen »der Große«, befehligte in Krisenzeiten die römische Garnison. Er rekrutierte Männer aus Klöstern, kümmerte sich um militärische Einrichtungen, um Truppenstützpunkte, Befestigungen, ja empfahl bei kriegerischen Operationen Rückenangriffe, Geiselnahme und Plünderung (IV 190 ff.). Er wurde Heiliger und Kirchenlehrer. Sein Schüler Honorius I. (625–638) trieb als echter Gregor-Jünger nicht nur zu einer verschärften Bekämpfung der Juden, sondern ernannte auch einen magister militum für Neapel. Zwar wurde Papst Honorius von seiner eigenen Kirche offiziell verflucht (das Anathema von Papst Leo II., einem Heiligen, 682 ratifiziert: IV 336
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