Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Epinal. Auch die Erzbischöfe Fulco von Reims (883–900) und Nachfolger Heriveus (900–922) liebten den Burgen-, den Festungsbau, das Fundament und eigentliche Statussymbol ritterlicher Welt und feudaler Macht. Sie schützten so ihre eigene Bischofsstadt, ließen aber auch Fortifikationen in Omont (bei Sedan), Epernay an der Marne und anderwärts aufmauern, freilich eine alte und sie lang überdauernde geistliche Tradition. 42
Nicht anders Notker von Lüttich (972–1008), der sich übrigens seinen episkopalen Schlachthaufen sicherte, indem er ihm ein Drittel des gesamten Kirchenbesitzes überließ, die wohlüberlegte Kalkulation einer frühen Mitbeteiligung – beinah eine Pioniertat. Notker umgab nicht nur Lüttich als erster mit einer Mauer, sondern schuf neben den bereits bestehenden Befestigungen des Bistums in Dinant und Huy neue in Thouin, Fosses und Malines (Mecheln). Derart zertrümmerte er den lokalen Feudaladel, zumal den Machtkomplex der Reginare – die Basis für eine fürstliche Position.
Sogar der maßgebende Repräsentant der lothringischen Reformer, Bischof Waso von Lüttich, hat, ohne angeblich selbst die Waffen zu führen, Ritter eidlich zum Kampf verpflichtet, Burgen gebrochen, die Verteidigung seiner Stadt geleitet, kurz, militärische Verbände kommandiert.
Auch Burchard I. von Worms (1000–1025), den Heinrich II. sehr begünstigte, stellte die Wormser Stadtmauer wieder her und befestigte den Bischofssitz. Und sofort ließ der Prälat die Salierburg Ottos »von Worms«, des Herzogs von Kärnten, abreißen, des Thronkandidaten 1002, der als Enkel Ottos I. dem verstorbenen Kaiser näherstand als Heinrich II., ein Urenkel Heinrichs I. (S. 16).
Selbst der hl. Bischof Bernward von Hildesheim, der Erzieher Ottos III., der sein Oberhirtenamt 993 gleich mit Kriegszügen gegen die Normannen begann, führte 994 zwei Festungen an der Nordgrenze seiner Diözese auf, die Mundburg an der Ockermündung und Burg Wahrenholz an der Ise, die er dem hl. Lambert anvertraute. Und auch die eigene Bischofsstadt umzog er mit Mauern und Türmen, wie man seinerzeit auch Bremen mit einer Ringmauer umgab. Oder wie im 11. Jahrhundert die ja immer reicher und mächtiger werdenden Prälaten ihre Verteidigungssysteme schufen, Meinwerk von Paderborn etwa. Errichtete doch der Bauwütige keineswegs nur Sakrales oder für sich eine Bischofspfalz, sondern ließ auch die Domfreiheit ummauern und die Stadtbefestigung verbessern – »eine notwendige Maßnahme gegen die Bedrohungen, denen sich die Bischofskirchen infolge ihrer Herrschaftsentfaltung zunehmend ausgesetzt sahen« (Bannasch).
Erst kürzlich führte Stefan Weinfurter sehr erhellend aus, daß die Bischöfe der Salierzeit ein neuartiges Selbstverständnis entwickelten: »Sie gestalteten nicht nur ein kirchliches Zentrum, sondern den Sitz eines geistlichen Fürsten, der an Macht und Einfluß den Großteil des Adels im Reich übertraf. Sie begannen in ihren Urkunden, Münzen und Siegeln, sogar in Herrschaftszeichen und Hofhaltung, die bisher dem König vorbehaltenen Formen der Herrschaftsrepräsentation zu imitieren, und sie gingen schließlich daran, aus diesem neuen Herrschaftsverständnis heraus ihre Leute immer härteren Belastungen zu unterwerfen. Gleichzeitig wurde die sich verdichtende Amtsherrschaft durch Burgen gesichert, indem man sie neu bauen ließ, wie beispielsweise in Hamburg-Bremen auf der Höhe des Süllbergs oder in Bamberg mit Gößweinstein, oder indem man sie einem weltlichen Fürsten entriß, wie in Köln die ezzonische Tomburg an der Aachen-Frankfurter Heerstraße, in allen Fällen nicht zur Abwehr nach außen, sondern zur Stabilisierung nach innen. Diese Burgen waren nicht mehr zum Schutz der Bevölkerung gedacht, etwa als Fliehburgen, sondern erhielten nun zur Interessenvertretung ihrer Herrn feste Besatzungen.« 43
Schließlich wurden im Mittelalter Tausende von Kirchen als Burgen erstellt. K. Kafka nennt in seinen »Wehrkirchen Niederösterreichs« allein für den dortigen Bezirk 114 heute noch erkennbare Kirchen mit Wehreinrichtungen und weist weitere 129 inzwischen verschwundene für Niederösterreich nach. Doch gab es sogar Kirchen, die nicht nur, wie häufig, zu Befestigungen, sondern zu regelrechten Raubnestern ausgebaut worden waren, zum Beispiel im 11. Jahrhundert in der Reimser Kirchenprovinz.
Damals führte die Entwicklung des Reformgeistes zu Konflikten mit der Reichsgewalt, zu Verweigerungen des Reichskriegsdienstes, dieser
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