Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Mainz, dessen verräterischer Frontwechsel auf der Reichsversammlung zu Tribur Kaiser Karls III. Absetzung mit entschied (V 291). Der geistliche Herr attackiert bald Wenden, bald Normannen, zieht 872 mit einem Heer nach Böhmen, schlägt fünf ihrer duces und verwüstet das Land. 883 kämpft er auch gegen die Normannen und tötet viele. Sein Nachfolger Erzbischof Sunderhold fällt 891 in dem verlustreichen Treffen am Geulenbach bei Meersen als Führer einer fränkischen Feldschar. 29
Gegen die Normannen hatten schon 854 die Bischöfe Agius von Orléans und Burchard von Chartres Schiffe und Soldaten geschickt. Der Diakon und Abt von S. Amand, Karlmann, ein Sohn Karls des Kahlen, marschierte 868 gegen sie. Bischof Wala von Metz wurde 882 ihr Opfer. Bischof Franco von Lüttich und Abt von Lobbes (856–903) griff sie nach eigenem Bekenntnis in »vielen Kriegen« an. Auch Gauzlin, Abt von Saint-Amand, St. Germain-des-Prés, St. Denis, seit 884 noch Bischof von Paris, war Truppenführer gegen sie, streckte die Teufel – gelegentlich »nach einem tränenreichen Gebet zur Gottesmutter« – mit eigener Hand nieder und half so »auf alle Weise dem christlichen Volke«. (Sein Neffe war jener Abt Ebolus, der mit einem einzigen Pfeil sieben Normannen gekillt und dann humorvoll befohlen haben soll, sie in die Küche zu schaffen.) Nur nach einem Sieg über den gottlosen Feind hielt Bischof Gauzlin sich der hl. Messe für die Jungfrau Maria würdig. Sein Nachfolger, Bischof Askerich von Paris (886–910), wird gerühmt, unter ihrem Schutz mit Gottes Hilfe sechshundert Normannen geschlachtet zu haben. 30
Nun bissen natürlich nicht nur teuflische Landesfeinde oder christliche Laien ins Gras. Vielmehr blieben damals, um 900, nicht weniger als zehn Bischöfe auf dem Schlachtfeld. Stellten die hohen Seelenführer für die Heerfahrten doch nicht bloß ihre Aufgebote, sondern partizipierten auch selbst »als Mitglieder des Schwertadels an den Feldzügen« (Prinz), ja sie kämpften »an der Spitze eigener Heereskontingente« (Störmer) – während sie später (nichts paßt uns!) nur noch andere für sich krepieren lassen. 880 fallen Markward von Hildesheim und Theoderich von Minden, 882 Wala von Metz (gegen die Normannen), 885 Wolfher von Minden (gegen die Slawen); 891 Sunderold von Mainz; 892 Arn von Würzburg. Am 5. Juli 907 sterben bei Preßburg an der Enns (gegen die Ungarn) der bayerische Metropolit Thietmar von Salzburg sowie die Bischöfe Udo von Freising und Zacharias von Säben, 908 fällt Rudolf von Würzburg.
Doch fochten die Prälaten auch schon gegeneinander. So zwang im September 946 vor Reims ein deutsches Heer, darunter die Erzbischöfe von Mainz und Trier nebst anderen geistlichen Fürsten, den Erzbischof Hugo von Vermandois zum Abzug aus seiner Bischofsstadt. Und bald darauf eroberten lothringische Oberhirten Hugos Schlupfwinkel, die Burg Mouzon, und zerstörten sie. 31
Unter den Ottonen stand die Reichskirche sozusagen in voller Kriegsbemalung da, durch und durch waffenstarrend. Auf rund 10000 Panzerreiter (loricati) schätzte man den damaligen Gesamtbestand des »Regnum Teutonicum«, davon etwa 6000 der weltlichen Lehnsträger, 3000 der Kirche und 1000 des Königs, wozu noch der Troß kam. Fast alle Bistümer und Abteien verfügten über ein beträchtliches militärisches Potential. Und nicht selten stellten sie die stärksten Haufen der kaiserlichen Heere; im Aufgebot Ottos II., verglichen mit den Weltlichen, sogar im Verhältnis 2,5 : 1. Während der längsten Zeit seiner Regierung sind an allen Aktionen Bischöfe beteiligt. So bei der Belagerung und Zerstörung des Kastells Boussu im Westen (Januar 974). Oder vier Jahre später bei dem Vergeltungszug für Lothars Überfall auf Aachen (V 528), wo die Bischöfe Notker von Lüttich, Dietrich von Metz und der hl. Wolfgang von Regensburg in der Streitmacht des Kaisers stecken, ebenso, wie gewöhnlich, nicht wenige Feldgeistliche.
Notker von Lüttich (972–1008), ein typischer Repräsentant des ottonischen Reichskirchensystems, dem er u.a. die Grafschaften Huy und »Brunnengeruut« verdankte, befestigte nicht nur seine Bischofsstadt, sondern ließ zu ihren Gunsten 987 auch die Burg Chevremont zerstören, ihm wie seinem Klerus schon lang ein Dorn im Auge, wobei er mit echt pfäffischer Heimtücke vorgeht. Da er nämlich das starke Kastell nicht gewaltsam nehmen kann, erklärt er, am herannahenden Gründonnerstag auf der Burg Beichte zu hören und das heilige Öl
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