Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
ganzen Heerfolge des hohen Klerus, die eben unter Heinrich II. dem Heiligen, von dem wir ausgingen, kulminierte, und zu dem wir damit zurückkehren. 44
Gleich nach Heinrichs Wahl Bürgerkriege in Schwaben und Franken
Heinrich II. der Heilige – 1002 deutscher König, 1004 König von Italien, 1014 römischer Kaiser –, der »große Friedensstifter«, dem es, glaubt man dem Heer seiner meist kirchlichen Apologeten, zuerst um Frieden ging, um Friedenspolitik, Friedenseinung, Friedensbemühung, Gerechtigkeit, Versöhnung, dem man noch heute auf christlicher Seite besondere Friedensliebe nachrühmt, dieser seltsame, tatsächlich sogar häufig den Frieden gebietende und beschwörende Heilige kam zeitlebens aus Kriegen und Fehden, aus lauter blutigen Auseinandersetzungen mit Katholiken, kaum heraus: mit den katholischen Polen, mit dem katholischen Adel im Reich, im Elsaß, in Lothringen, Burgund (allein hier drei Feldzüge), mit dem katholischen Adel in Schwaben, Sachsen, mit der katholischen Aristokratie Oberitaliens, mit den katholischen Römern, mit katholischen Verwandten und katholischen Bischöfen. Und bei all dem, zumal bei seinem großen Krieg gegen die Polen, wurde Heinrich von einem »deutschen Nationalgefühl« so wenig geleitet wie sein Adel. Doch gehörte das Morden und Töten im gewissen Sinn zu den Hauptaufgaben eines christlichen Königs, waren der von ihm verbreitete »Schrecken« und die von ihm ausgehende »Angst« seine wichtigsten Regierungsmittel. Er besaß Banngewalt, er hatte das Recht zu strafen, Besitz zu nehmen und das Leben. Er praktizierte die Unterwerfung, Ausstoßung, Vernichtung. »Von allen soll er gefürchtet werden«, steht im ottonischen Krönungsordo des »Pontificale Romano-Germanicum«, »und wird geliebt ...«
Was Wunder, wimmelte das Reich von Störungen, Unruhen, Terrorakten aller Art. »Die Jahrbücher der Regierung Heinrichs II. sind voll von Thaten schnöder Gewalt und frechen Friedensbruches, gegen die der Kaiser unablässig, aber erst in seinen letzten Lebensjahren mit sichtlicherem Erfolg ankämpfte: wieder und wieder hören wir von Plünderungen und Räubereien der Mächtigen gegen die Machtlosen, der Laien gegen die Kirchen, deren Straflosigkeit die Schriftsteller der Zeit beklagen« (Breßlau). 45
Gleich nach seiner Wahl verheerte Heinrich II., eine seiner ersten Regierungshandlungen, das Land des Herzogs Hermann II. von Schwaben, der sich selber Hoffnungen auf die Krone gemacht, zunächst auch der Kandidat vieler Großer war. Und Hermann erobert und plündert das mit seinem Bischof Wernher zu Heinrich abgefallene Straßburg; die Schwaben rauben den Dom aus, stecken ihn sogar in Brand (S. 19). Da der König für das Frühjahr bereits einen Kriegszug gegen den Thronrivalen plante, unterwarf sich dieser noch im Herbst und starb schon wenige Monate danach, im Mai 1003, worauf Heinrich die Regierung für dessen unmündigen Sohn Hermann III. selbst übernahm. Auch er starb, sicher zur Erleichterung des Herrschers, 1012, rechtzeitig bevor er großjährig geworden wäre, höchstens zwölf Jahre alt. Und drei Jahre später wurde Herzog Ernst I. von Schwaben, ebenfalls noch jung und dubios genug auf der Jagd durch einen Schuß getötet, der, wie es heißt, einer Hirschkuh galt.
Einen weiteren Bürgerkrieg, eine Fortsetzung gleichsam der blutigen Babenbergerfehde ein Jahrhundert früher (V 354 ff.) führte Heinrich II. im Nordgau gegen den Markgrafen Heinrich von Schweinfurt aus der Sippe der Babenberger.
Der Heilige, beim Ringen um die Krone zunächst noch in prekärer Position, hatte vor seiner Wahl dem mächtigen Markgrafen das frei gewordene Herzogtum Bayern versprochen, ihn dann aber geprellt. (Warum also, in Parenthese, sollte heute ein katholischer Politiker Wahlversprechen halten, wenn ein katholischer Kaiser schon tausend Jahre früher keine hielt – und dennoch heilig wurde?! Die Geschichte der Christiani strotzt von solchen Schulbeispielen.)
Als Heinrich König geworden, speiste er den anfragenden Markgrafen mit Ausreden ab, was der sich nicht bieten ließ. Schließlich hatte ihm Heinrich das Herzogtum »längst fest zugesagt« und er ihn deshalb auch »getreulich bei seinen Bemühungen zur Erlangung der Königswürde unterstützt«. So überliefert Bischof Thietmar von Merseburg, ein Vetter des Schweinfurters, der seinerseits ein Sohn des Grafen Berthold war, den Otto I. im bayerischen Nordgau eingesetzt, nachdem er den Bayernherzog Eberhard für immer
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