Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
Vom Netzwerk:
zu weihen. Mit Freuden ist man dort einverstanden. Notker aber schleust seine Vertrauten mit Waffen unter ihren geistlichen Gewändern ein, wirft sofort die Besatzung, »wohl nicht ohne Blutvergießen« (Hirsch), aus der Burg und kann nun Ländereien und Zehnten benachbarter Dörfer einstreichen. Und die Methode behagte dem hohen Herrn. Drang er doch unter dem Vorwand, das heilige Sakrament zu spenden, ein weiteres Mal in fremdes Eigentum ein und setzte sich wieder blutig in dessen Besitz – ein Bischof, der angeblich fortwährend in der Heiligen Schrift las. Und dessen Zöglinge an der gefeierten Lütticher Domschule bekannte Vertreter des Reichsepiskopats wurden: Adalbold von Utrecht, Ruthard und Erluin von Cambrai, Heimo von Verdun, Hermann von Toul, Gunther von Salzburg, Durandus und Wazo von Lüttich. 32
    Zur Ottonenzeit hatten alle Reichs-Bischöfe Truppen, ausgenommen vielleicht die Bistümer Brandenburg und Havelberg bei Beginn ihres Bestehens. Dabei ließen die Prälaten, zumal in lothringischen Diözesen und Klöstern, ihre Schlachthaufen mit Vorliebe durch Verwandte befehligen. Doch mußten sich die Herren auch oft selbst samt ihrer Soldateska stellen. So war unter Otto I. der Bischof Dietrich von Metz fünf Jahre ununterbrochen in Italien im kaiserlichen Heer, fast ebensolang Bischof Adaldag von Hamburg. Die Bischöfe Lantward von Minden und Otker von Speyer wurden zweimal nacheinander in den Süden aufgeboten, wo sie insgesamt mehr als sieben Jahre verbrachten. Unter Otto III. leisteten die Christenhäupter von Konstanz, Worms und Würzburg beinah ständig bewaffneten Dienst. Bischof Bernward von Hildesheim segnet bei der Erhebung der Römer gegen diesen Kaiser nicht nur dessen Truppe, sondern stürzt auch selbst mit der heiligen Lanze in die ersten Schlachtreihen (»signifer ipse cum sancta haste in prima fronte aciei egredi parat«) – und ist seit 1192 Heiliger der katholischen Kirche, Fest 20. November. Doch auch beim Feldzug nach Flandern 1006/1007 des hl. Heinrich zieht der hl. Bernward mit. Denn: »Der Krieg für das Reich ist heiliger Krieg« (Köhler).
    Natürlich empörten sich Prälaten mit ihren Gewalthaufen zeitweise auch gegen den König, etwa die lothringischen Bischöfe Gauzlin von Toul, Adalbero von Metz und der äußerst kriegerische Bernain von Verdun. Denn so wenig der Adel je als einheitlicher Interessenblock auftrat, fast so wenig mitunter »die Kirche«, in der Bischofs-, Klosterkirchen und Prälaten konkurrieren und stark rivalisierende Faktionen bilden konnten.
    Im Osten verband sich zur Ottonenzeit die verstärkte Slawenmission auch mit einer verstärkten Teilnahme des Klerus am Kriegsdienst, besonders unter Otto III., der einen Feldzug nach dem andern persönlich leitet: 992 gegen die Heveller und, noch im selben Jahr, einen gegen die Elbslawen, 993 gegen die Liutizen, 995 gegen Abodriten und Wilzen, 997 gegen die Heveller. Doch läßt Otto weitere Züge gegen die Slawen auch ohne sich ausführen. Und schon seine Vorgänger waren im Osten nicht faul. Sogar Bischof Thietmar schreibt, das Erzbistum Magdeburg, ja offensichtlich (wie das gleichzeitig errichtete Bistum Meißen) an strategisch bedeutender Stelle gegründet, diene nicht nur der Hoffnung auf ewigen Lohn, sondern auch »zum Schutz des gemeinsamen Vaterlandes« (defensionemque communis patriae).
    Im Osten kämpfte Gisilher von Merseburg, der als Günstling Ottos II. Erzbischof wurde, im Osten kämpften die Bischöfe Milo von Minden, Hildiward von Halberstadt, Eiko von Meißen, Gebhard von Regensburg, Gottschalk von Freising. Bischof Ramward von Minden riß, »machtvoll zum Kampfe« treibend (Thietmar), seine Westfalen mit einem Kreuz in der Hand zum Gemetzel hin. »Zweifellos trug der religiöse Charakter der Slawenkriege bedeutend zur Mitwirkung der geistlichen Fürsten bei« (Auer). Und im späteren 9. Jahrhundert wurde unter dem Druck der Zeit auch die Befreiung des niederen Klerus vom Wehrdienst generell aufgehoben. Nun waren, wie in den Ungarnkriegen, auch niedere Kleriker an den Waffengängen im Osten beteiligt, ja Geistliche dort häufig Fahnenträger; die Fahnenträger der Verdener und Bremer Vasallen, ein Diakon und ein Priester, fielen 992 gegen die Slawen.
    Hat doch die Kirche selbst im Laufe des 10. Jahrhunderts ihre Einstellung zum Kriegsdienst der Christen, zum Soldatenstand, insofern noch geändert, als der Stand des Kriegers gleichsam »christanisiert«, um nicht zu sagen »verkirchlicht« worden ist.

Weitere Kostenlose Bücher