Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
sterben, röchelt, »ich sehe schon den Himmel offen; dort ist unser wahres Vaterland« – und wird Heiliger der Catholica.
Seit Ende des 7. Jahrhunderts mußten Bischöfe und Äbte, laut »Staatsrecht«, ihre dienstpflichtigen Hintersassen und Vasallen persönlich dem Heer zuführen. Zwar sollten sie selbst nicht schlachten, töten. Aber Pippin II. der Mittlere (gest. 714) sah kriegstüchtige Kleriker nicht ungern. Und unter seinem Sohn Karl Martell waren streitende Seelenhirten schon eher die Regel. Auf einer seiner Sachsenfahrten fiel Bischof Gerold von Mainz. Und Sohn Gewilib, wiederum Mainzer Bischof, übte auf dem nächsten Feldzug Blutrache an jenem Sachsen, der seinen Vater umgebracht. (Gewilib wurde zwar 745 abgesetzt, lebte aber als Eigenkirchenherr noch 14 Jahre »in Ehren«. Beiläufig: die Namen beider Mainzer Hohenpriester fehlen in den meisten katholischen Kirchengeschichten – wie die so vieler schwarzer Schafe!) 27
Sie kommandieren ganze Heere, sie morden und fallen in der Schlacht
Seit Karl »dem Großen«, dessen Gesamtstreitkräfte mehrere Zehntausende an Berittenen umfaßte samt einer noch größeren Zahl von Fußsoldaten, erscheinen die Prälaten allmählich immer regelmäßiger auf Kriegszügen und Schlachtfeldern. Bei Karls Angriff auf Pavia sind in seinem Heer die Bischöfe und Äbte des Reiches sowie die Geistlichen der Hofkapelle, sie marschieren sogar noch vor dem König. Und 791 werden Erzbischof Angilram von Metz und Bischof Sintbert von Regensburg Opfer seiner Awarenoffensive. Im 9. Jahrhundert ist der Kriegsdienst (hostilicium) des hohen Klerus fast schon eine Selbstverständlichkeit. Auch unter Ludwig dem Frommen, als die Prälaten immer tiefer in Politik und politische Parteiungen geraten, ist Kriegsdienst üblich. Ja, zu der Zeit, als Erzbischof Hinkmar von Reims (845–882), im Anschluß an Augustin, Krieg zur Ehre Gottes stets erlaubt, sind Bischöfe und Äbte derart auf dem Schlachtfeld aktiv, daß Franco von Lüttich den Papst bittet, ihm für alle geistlichen Verrichtungen zwei Chorbischöfe zu geben, da seine Hände allzu oft Feindesblut beflecke. »Das waren nicht Ausnahmen, sondern so stand es überall« (Hauck). Und nicht einmal selten starben jetzt die geistlichen Haudegen den Heldentod.
In Italien stattete Kaiser Lothar besonders rege Krieger unter den Prälaten mit einer Abtei aus. Ludwig II. erließ 866 noch verschärfte Bestimmungen über den klerikalen Kriegsdienst. Nur ein triftiger Grund, hohes Alter etwa oder Krankheit, entband davon. Bloß ein einziger italienischer Bischof, Ansovin von Camerino, war seinerzeit unseres Wissens vom Kriegsdienst befreit. 28
Die geistlichen Herren ziehen aber nicht nur ins Feld, sie kommandieren oft ganze Heere, wie 857 Otgar von Eichstätt, 872 Liutbert von Mainz oder Arn von Würzburg.
Oberhirte Arn (855–892), ein besonders rühriger Recke, erbeutet 871 beim Überfall auf den Hochzeitszug einer böhmischen Herzogstochter u.a. 644 Pferde. Im nächsten Jahr befehligt er, zusammen mit dem Fuldaer Abt Sigehard, eine Streitmacht gegen die Böhmen; er wird aber mit schweren Verlusten heimgeschickt. 884 siegt er als Oberbefehlshaber an der Spitze eines ostfränkischen Heeres gegen die Normannen. 892 bricht er auf eigene Faust wieder in Böhmen ein, doch die Sorben erschlagen ihn mit dem größten Teil seiner Truppen, passenderweise angeblich, »während er die Messe sang«. Dabei ließ er, wie das einem Bischof ziemt, erst »alle seine Begleiter im Martyrium voraufgehen« und brachte sich dann, samt den hl. Hostien, »selbst Gott dem Vater dar« (Thietmar). Der Bischof, kommentiert Siegfried Hirsch, demonstriere mit seinen »Zügen an die Heidengrenze ... die Aufgabe des Bisthums ... so recht ...«. Nun, immerhin konnte er den abgebrannten Würzburger Dom wieder aufbauen und neun Kirchen errichten lassen, wohl auch mit Hilfe etlichen Kriegsgewinnes. Und zumindest noch im 18. Jahrhundert verehrt man in Franken den wilden Kämpen als Märtyrer (Fest 13. Juli).
Arns Nachfolger, Bischof Rudolf, nach einem zeitgenössischen Chronisten zwar adelig, doch recht dumm (licet nobilis, stultissimus tamen), führt verheerende, ganz Ostfranken wie eine Naturkatastrophe erschütternde Fehden mit den älteren Babenbergern (V 354 ff.). Er fällt 908 gegen die Ungarn, die ein Jahrzehnt später, 919, auch Erzbischof Heriveus von Reims mit 1500 Bewaffneten heimsucht.
Nicht minder streitbar als die Würzburger: ihr Nachbar Erzbischof Liutbert von
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