Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
lancierte oder erzwang natürlich auch der hohe Adel, insbesondere das regierende Fürstentum, den Gottesfrieden bzw. den Abschluß von regionalen Friedensmaßnahmen, denn die sogenannten weltlichen Mächtigen profitierten gleichfalls daran. Mußten doch die fortwährenden »Unrechtstaten« der kleinen seigneurs, der untergeordneten Strauchritter, deren Privatquerelen sozusagen, die Großgauneraktionen, die eigenen Fehden und Feldzüge, die eigene Streitherrschaft der Potentes, der Divites gefährden. So hatte wahrscheinlich bereits Karl I. die Fehden 789 verboten, sicher aber mit einem Kapitular von 802 durch Aufbietung des Königsbannes eingedämmt. Jedenfalls nutzten die Großen, die ja nicht nur mit ihresgleichen rivalisierten, sondern ebenso mit dem fehdegeilen niederen Adel, den Gottesfrieden zugunsten der eigenen Machtgier. 24
Die Fehde war seit alters in den germanischen Stämmen, wie etwa Hildebrandslied, Nibelungenlied, Isländersagas ausweisen, geradezu das beherrschende Element, war im öffentlichen Leben des mittelalterlichen Nord- und Mitteleuropa ein Hauptthema, ein politisches Grundprinzip. Ihre Beurteilung schwankte aber wiederholt. Noch in jüngerer Zeit galt sie oft als »subsidiäres Rechtsmittel« (O. Brunner), als legitime Form der Selbsthilfe, während man jüngst wieder mehr ihre kriminellen Komponenten betont und den sozioökonomischen Niedergang des Rittertums im Spätmittelalter.
Ohne Frage griff die Fehde mit ihrer Ruinierung des Gegners, seiner Güter, Burgen, Städte, Märkte, Bauern, allmählich immer mehr um sich. Zwar schritt der Klerus zuweilen mit Fluch und Bann und Interdikt dagegen ein, scheiterte jedoch schon deshalb, weil er eben auch selbst ungezählte Fehden führte, obwohl dies ihm grundsätzlich ebenso verboten war wie, zunächst wenigstens, den Bauern, Bürgern, von den Juden zu schweigen.
Die Fehdeführung aber unter diesen Menschen, die ja sämtlich zum gleichen Gott beteten, und dies auch sämtlich in der gleichen Kirche taten, war weithin grausam; sie konnte über Raub, Brandstiftung, Unbewohnbarmachung (viele Wüsten entstanden derart) bis zur erbarmungslosen Ausrottung ganzer Familien gehen, einschließlich der Kinder. Auch begnügten sich fromme Ritter oft nicht mit dem Niederbrennen einer Burg; sie ließen die meist dabeistehende Kirche oder Kapelle gleich mit in den Flammen aufgehen. Ergo suchte man solchen Waffengebrauch, statt eines generellen Verbotes, wenigstens partiell einzuschränken, von Freitagabend, beispielsweise, bis Montagmorgen, wie anno 1041 einige französische Bischöfe forderten. Nach dem Wochenende konnte man dann gestärkt wieder aufeinander eindreschen.
Wie sehr die klerikale Selbstsucht dieses »Institut des Gottesfriedens«, der »Treuga dei« schuf (treuga ist die latinisierte Form des fränkischen triuwa, Sicherheit), ist eklatant. Schon die zeitliche Begrenzung vom Freitagabend bis Montagmorgen kam selbstverständlich dem Sonntag zugut, dem kirchlichen Gottesdienstbesuch. Sprechenderweise wurde der Gottesfrieden dann über das Wochenende hinaus auf sämtliche kirchliche Festtage ausgedehnt, später auch auf die Advents- und Fastenzeit. Den Höhepunkt erklomm das Konzil von Narbonne 1054, das Krieg- und Fehdeführen rechtens nur noch an rund 80 Tagen ermöglichte. Auch bestimmte Räume wurden allmählich in den Gottesfrieden einbezogen, und selbstverständlich waren es besonders Kirchen und Klöster, in deren Umkreis keinerlei Kampfhandlungen stattfinden durften. Natürlich respektierte der Klerus selbst nicht immer die Sache. So ließ im ausgehenden 11. Jahrhundert der Bischof Fulco von Beauvais einen gewissen Hubert, den Bruder des Bischofs Ursio von Senlis, just während des sogenannten Gottesfriedens gefangennehmen und seinen Besitz ausrauben.
Im 11. Jahrhundert entstanden die »Pax-Milizen«, Diözesanheere, die der Sicherung des Friedens dienen sollten, vor allem aber der Sicherung des geistlichen Hab und Gutes dienten, dem Machtstreben, wobei man oft für die eigensüchtigsten Zwecke focht, auch Priester die Truppen anführten.
So besorgte sich seinerzeit der Erzbischof von Bourges, Aimo von Bourbon (1030–1070) – im 15. Jahrhundert wurde ein Mitglied dieses Fürstenhauses, Charles de Bourbon, mit zehn Jahren zum Erzbischof von Lyon gewählt und vom Papst bestätigt –, gemeinsam mit seinen Suffraganen eine Privatarmee. Neben milites gehörte ihr auch ein Volksaufgebot an, fast so etwas wie eine Art »Volkssturm«, in dem
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