Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
(auch dies erinnert an Hitlerzeit und Zweiten Weltkrieg) noch Kinder mitstreiten mußten, alle Knaben vom 15. Lebensjahr an; wobei die »Friedenskämpfer« nicht nur das Land verwüsteten, sondern auch die Burg Benecy samt 1400 Menschen verbrannten. Gegen das kleine Raubgesindel waren Erzbischofs Aimos »Pax-Milizen« unbesiegbar. Als er sich aber an einen der mächtigsten Herren des Berry, Odo von Déols, wagte – er lag mit ihm wegen der Burg Chateauneuf-sur-Cher in Fehde –, erlitt er am 19. Januar 1038 in der Schlacht am Cher eine fürchterliche Niederlage; mehr als 700 Kleriker sollen dabei umgekommen sein.
Ein ähnliches Schicksal ereilte ein Menschenalter später anscheinend das Diözesanheer des Bischofs Arnald von Le Mans, einer Stadt, deren Adel, Bürger und Pfaffen im 11. Jahrhundert einander ständig in der Wolle lagen. Im übrigen ist klar, daß dieser Friedenskampf des Erzbischofs von Bourges (und seiner Kollegen) »letztlich der erzbischöflichen Herrschaftssicherung diente«, wobei man in der Erzdiözese Bourges die nichtritterliche Bevölkerung bis ins 13. Jahrhundert »für den erzbischöflichen Frieden« kämpfen ließ (R. Kaiser).
Natürlich rekrutierten die Prälaten nicht bloß bewaffnete Haufen aus Klerus und Volk. Sie erhoben auch sofort Gebühren, und selbstverständlich Gebühren: »pro pace«; seit dem 12. Jahrhundert das commune pacis (commun de paix), eine bis ins Spätmittelalter bestehende (und, anders benannt, auch in Spanien belegte) Friedenssteuer, womit sie dann kriegsbereite Mannschaften oder Befestigungen finanzierten.
Überhaupt, vielleicht das Wichtigste, diente der kirchlich organisierte Friede gleichzeitig auch dem kirchlich organisierten Krieg und dem Kriegermetier. Denn: »Die in den Gottesfriedenssatzungen häufig vorgesehenen Maßnahmen gegen die Friedensbrecher laufen auf nichts anderes als einen neuen, diesmal von der Kirche selbst angeordneten Krieg hinaus.« Und auf einen auch von der Kirche geleiteten Krieg, einen »Krieg dem Krieg«, einen »Friedenskrieg«, in den die Pfarrer mit ihren Fahnen und Kreuzen zogen. Schloß man ja da und dort Friedensbrecher gar aus der Kirche aus.
Das Papsttum allerdings, dem wir uns damit über einen längeren Zeitraum hinweg zusammenhängend zuwenden, hat den Gottesfrieden nur zögernd übernommen; als erster Urban II. 1095 – vor Beginn des Ersten Kreuzzuges! 25
4. Kapitel
»Ein Papst drängt sich neben den anderen ...«
Die heiligen Väter um die Mitte des 11. Jahrhunderts
Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Mittelalterliches Sprichwort
Ein Papst geht mit Heiratsplänen um und verkauft das Papsttum
Nach dem Tod Johanns XIX., jenes Heiligen Vaters, der durch enorme Bestechungen an einem einzigen Tag vom Laien zum Papst aufstieg (S. 134), folgte Benedikt IX. (1032–1045, 1047 bis 1048), der Neffe seiner beiden Vorgänger, der Brüder Johann XIX. und Benedikt VIII. Somit saß wieder, zum drittenmal hintereinander, ein Graf von Tusculum auf der sogenannten Cathedra Petri, und wieder einer kraft der Waffen und des Goldes, diesmal seines Vaters Alberich III. Lebte doch der römische Klerus, dies bezeugt Papst Viktor III., »in grenzenloser Barbarei« – wie das ganze heilige Rom; was Ferdinand Gregorovius so charakterisiert: »alle Wege wurden von Räubern belagert, alle Pilger ausgeplündert; in der Stadt lagen die Kirchen in Verfall, während die Priester bei Bacchanalen schwelgten. Täglicher Meuchelmord machte die Straßen unsicher, und selbst in den St. Peter drangen römische Adlige, das Schwert in der Faust, die Gaben fortzuraffen, die noch fromme Hände auf den Altar legen mochten.«
Mit Benedikt IX. war wieder ein Laie Papst geworden, angeblich einer erst mit zehn oder zwölf Jahren, was nicht nur frühe Quellen, sondern noch Historiker des 19., ja des ausgehenden 20. Jahrhunderts, wie Hagen Keller, behaupten. Und mochte Benedikt IX., wer weiß, auch etwas älter sein, hielt er sich doch, einige erzwungene Pausen beiseite, ein Dutzend Jahre fast unangefochten auf dem Heiligen Stuhl, nahm er ihn sogar, jedenfalls faktisch, als einziger Papst dreimal hintereinander ein.
Das Leben des unreifen Jungen, dessen kriminelle Erhebung Kaiser Konrad offenbar wohlwollend geduldet hatte, wie er mit ihm überhaupt gut harmonierte, glich bald weniger dem eines Zölibatärs als eines Sultans. Auch sollte er anhand von Zauberbüchern die Dämonen beschwören, in Wäldern mit dem Teufel umgehen, durch Magie die Weiber anziehen,
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