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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Ehebruch, Raub und Totschlag begehen, sagen kirchliche Berichterstatter.
    Vielleicht war er ja nicht ganz so schlimm, wie es dem Abt Desiderius von Monte Cassino erschien, den es schauderte, Einzelheiten preiszugeben. Die päpstliche Kanzlei sandte immerhin Erbauliches in die Welt, predigte die Verachtung irdischer Lust, die Sehnsucht nach der himmlischen Heimat. Heiligkeit selbst freilich ging mit Heiratsplänen um, warb offen um die Hand einer römischen Verwandten und wurde, nachdem er – während Pest und Hungersnot das Abendland marterten – alles verbraucht hatte, was zu verbrauchen war, noch zum Objekt eines Mordversuchs. Vornehme Roms verschworen sich, ihn am Altar zu erwürgen, sinnigerweise am Fest der Apostel; freilich vergebens. Erst im Herbst 1044 verjagte ihn eine Adelsrevolte, ohne daß er formell abgesetzt wurde. Und nach langen und blutigen Faktionskämpfen erhob man im Januar 1045 den Bischof Johann von Sabina, offenbar einen Mann der Crescentier, als Silvester III. zum Papst, und auch er hatte die Aufständischen wieder durch Gold bestochen. Doch schon nach wenigen Wochen, um den 10. März, mußte er fliehen, da Benedikt von seinen Burgen in den Albanerbergen wiederkehrte und abermals sein heiliges Amt wahrnahm, selbstverständlich auch den Rivalen sofort exkommunizierte. Dann aber schien ihm die Lage doch zu riskant, ein erneuter Sturz zu wahrscheinlich, schien ihm, anders als vielen seiner Vorgänger, ein Rücktritt von der Stellvertretung Gottes auf Erden durchaus möglich, auch erträglich, allerdings nur durch das Erstatten der erheblichen Unkosten, die eben seine Erhebung gekostet hatte.
    Ernsthaft interessiert am Geschäft war ein gewisser Johannes Gratianus, der greise Erzpriester von S. Giovanni a Porta Latina, der Taufpate des Papstes (patrinus; möglicherweise Beichtvater) und wahrscheinlich ein Verwandter des reichen jüdischen Bankhauses der Pierleoni. Der getaufte Jude Baruch schoß Johannes viel Geld vor (zwischen 1000 und 2000 Pfund Silber); die Zahlenangaben schwanken, die finanzielle Transaktion bleibt wohl absichtlich unklar. Doch verhökerte der Papst nach den meisten Quellen in einer förmlichen Rücktrittsurkunde vom 1. Mai 1045 seinem Paten für eine riesige Summe, zumal, wie man annahm, für die Erträge des Peterspfennigs aus England (S. 154), den apostolischen Stuhl. Sogar Franz Xaver Seppelt, der katholische Papsthistoriker, sieht darin nicht etwa eine lebenslängliche Rente, eine Abfindung, sondern wahrscheinlich »einen regelrechten Verkauf der päpstlichen Würde«; zwar ein singulärer Fall in der Papstbranche, aber ringsum offensichtlich akzeptiert.
    An den An- und Verkauf geistlicher Güter und Glorie war die christliche Gemeinde doch längst gewöhnt (S. 201 f.). Auch an das Verschenken zwecks Sicherung der lieben Verwandten, ein ja recht menschlicher, nahezu schöner Zug. Herzog Richard von der Normandie, Ahnherr des vom Papsttum so ermutigten Wilhelm des Eroberers (S. 249), vermachte das Erzbistum Rouen seinem Sohn, zwei Bistümer einem Neffen. König Heinrich I. von Frankreich, der Wundertäter, stattete seine Tochter mit der Abtei Corbie aus; ein Graf von Toulouse tröstete seine Witwe mit den Einnahmen der Diözese Albi und des Klosters St. Gilles; die Grafen von Barcelona bedachten ihre Erben mit ganzen Bistümern. Ein Graf der Bretagne erhob sich gleich selbst zum Oberhirten von Quimper, vererbte die Diözese seinem Sohn, der sich verehelichte und das bischöfliche Amt dann wieder seinem Sohn weitergab. Allenthalben ein rührender Versorgungsdrang christlichen Hochadels.
    Natürlich war man bei fernerstehenden Nächsten nicht ganz so selbstlos und verkaufte kurzerhand. Das Bistum Albi zum Beispiel 1038 für 5000 Schillinge. Für 100000 Schillinge beförderte 1016 Graf Wifred von Barcelona-Urgel seinen gleichnamigen zweijährigen Sohn auf den erzbischöflichen Stuhl von Narbonne, und der Sprößling erwies sich dankbar und schanzte für die gleiche Summe seinem Bruder die Diözese Urgel zu. »In einigen Ländern, besonders in Süd- und Westfrankreich, kamen regelrechte Handelsgeschäfte mit Bistümern vor« (Tellenbach). Für den Bischofssitz von Florenz beglich man um die Mitte des 11. Jahrhunderts angeblich 3000 Pfund. Doch sollen seinerzeit im Land des Papstes alle Bischöfe ihre sogenannte Würde gekauft haben und, falls die zeitgenössische Quelle übertreibt, sicher nicht arg.
    Wie auch immer, infolge mehrfacher schwerer Verstöße gegen das

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