Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Hochmittelalter kursierende Verdacht, er sei vergiftet worden, vermutlich von Papst Benedikt, scheint dadurch bestätigt. Für die übrigen vier »deutschen Päpste« damals, für Damasus II., Leo IX., Viktor II. und Stephan IX., »gilt der Giftmord als unwahrscheinlich« (Fuhrmann). 3
Benedikt IX. aber tauchte gleich nach Clemens' II. Tod aus seinem Zufluchtsort bei Tusculum noch einmal auf, drang in die Stadt ein und wurde am 8. November 1047 wieder Papst. Gestützt von dem Markgrafen Bonifatius, dem seinerzeit mächtigsten italienischen Fürsten, gab er bis Juli 1048 noch ein drittes und allerdings letztes, vom bestochenen Volk umjubeltes Gastspiel auf dem Stuhl der Stühle – diesmal freilich als Gegenpapst. (Man konnte also Papst und Gegenpapst in einer Person sein – nur nicht zur gleichen Zeit!) Der Kaiser designierte indes den bayerischen Grafen Bischof Poppo von Brixen in Tirol, den der als Begleiter befohlene Markgraf von Tuszien allerdings erst nach Heinrichs scharfer Drohung in den Lateran geleitete.
Der »steinreiche Markgraf, vielmehr Tyrann Italiens«, der schließlich den Reformern nahestand, sich auch geißeln ließ, ja in Mantua mit Heinrich III. und Leo IX. bei der Auffindung des »Blutes Christi« beteiligt gewesen sein soll (direkt gefunden wurde der kostbare Lebenssaft des Herrn »von einem Blinden«, natürlich »durch göttliche Enthüllung«: Hermann von Reichenau), Bonifaz von Tuszien wurde 1052 nach langer und harter Herrschaft durch vergiftete Pfeilschüsse aus dem Hinterhalt ermordet. Schon vier Jahre früher aber war Poppo von Brixen, der als Damasus II. am 17. Juli 1048 die Cathedra Petri bestiegen, bereits drei Wochen danach, am 9. August, in Palestrina verblichen, entweder an Malaria oder, wie andere Quellen meinen, durch Gift, vielleicht durch das Gift Benedikts IX. Dieser jedenfalls hatte ihm Rache angedroht; ebenso seinem Nachfolger Leo IX. Doch war auch die Macht der Tuskulaner Grafen jetzt einigermaßen gebrochen, hatten sie Rom immerhin wenigstens fünf Heilige Väter gegeben: Johann XI., Johann XII., Benedikt VIII., Johann XIX. und Benedikt IX., fünf, mit allenfalls einer Ausnahme, die Haare sträuben lassende Figuren, um nicht zu sagen mehr oder weniger vollendete Verbrechergestalten.
Freilich drückten seinerzeit, zwischen 1046 und 1058, auch fünf deutsche Päpste (von sieben deutschen der ganzen Papstgeschichte) den Stuhl, auf dem Petrus nie gesessen, den einige dieser Deutschen auch auffallend mieden. Und alle hatten sie verblüffend knappe, insgesamt nur zwölf Jahre umfassende, gerüchteumschwirrte Pontifikate – eine von Kardinal Damiani mit der Last des hohen heiligen Amtes erklärte Kurzlebigkeit. 4
Dem nur dreiundzwanzig Tage als Papst regierenden Grafen Poppo folgte ein weiterer deutscher Graf, Bruno von Egisheim-Dagsburg, ein 1002 im Elsaß geborener Verwandter Kaiser Heinrichs III., als Leo IX.
Heiliger und Feldherr – Papst Leo IX. (1049–1054)
Das neue Kirchenhaupt war schön, reich, gebildet, fast fieberhaft tätig und nur selten in Rom, von seinen fünf Regierungsjahren bloß ein halbes Jahr. Der Papst, hinter dem bereits sehr Hildebrand stand, damals sein Subdiakon und Abt von St. Paul, genoß durch sein Auftreten, seinen Eifer, die weiten Reisen (dreimal nach Frankreich, dreimal nach Deutschland, sechsmal nach Süditalien) große Publizität; auch der Schriftverkehr stieg an, es gibt mehr als 170 überlieferte Urkunden Leos, aber »mit erheblichem Fälschungsanteil« (Lexikon für Theologie und Kirche) – eine beinah hektische Aktivität, die jedoch vor allem politischen Zwecken, den Angelegenheiten des Reichs diente, der loyalen Zusammenarbeit in häufigen und längeren Begegnungen mit dem mit ihm verwandten Kaiser.
Immerhin, Leo veranstaltete auch prunkvolle Kirchenweihen, Kanonisationen, zahlreiche Synoden, insgesamt zwölf, etwa doppelt soviel wie seine Vorgänger in 25 Jahren. Er kümmerte sich noch um die Resteverwertung der Heiligen, wobei er sich auch in den Reliquienstreit zwischen St. Emmeram und St. Denis mischte. Das Regensburger Kloster behauptete nämlich – ein ubiquitärer Mönchsbrauch – aus purer Ruhm- und Gewinnsucht, die Reliquien des Schutzpatrons von St. Denis, des hl. Dionys, zu besitzen, und setzte deshalb allerlei angebliche Authentiken in die Welt, wie man denn da auch sonst frei darauflos fälschte, päpstliche und kaiserliche Urkunden, etwa auf die Namen von Karl »dem Großen«, Ludwig dem Frommen, Arnulf, Otto
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