Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Konzil zu Reims 1049 erneuertes Verbot des Waffentragens, des Kriegsdienstes für Geistliche – alles wohl unter dem Einfluß seines Kardinaldiakons Hildebrand und dessen Lieblingsspruches: »Verflucht der Mann, der sein Schwert von Blut zurückhält.« Abt Petrus Damiani warnte zwar vor dem »päpstlichen Krieg«. Doch der Heilige Vater war erpicht darauf, war versessen auf die »Rekuperation«. Und noch ehe es zu einer Vereinigung mit den von Bari anrückenden Griechen kam, standen die Normannen am 16. Juni 1053 am Fortore bei Civitate, einem verschwundenen Ort nordwestlich von Foggia, schlachtbereit da. 8
Die päpstliche Armee, unter der sich, außer Kanzler Friedrich, auch Kardinal Humbert und die Erzbischöfe Petrus von Amalfi sowie Udalricus von Benevent, ein Deutscher, befanden, erschien erstmals mit den von Leo verliehenen Fahnen des hl. Petrus. Und ging, vom Papst gesegnet, ihrer Sünden losgesprochen, ins Gefecht und »nach dem verborgenen Richtspruch Gottes« ihrem jähen Untergang entgegen. Denn obwohl bereits »beinah von den Deutschen besiegt«, umfaßten die Normannen sie mit Reservekräften aus dem Hinterhalt. Die italienischen Truppen, darin stimmen die Berichte überein, stoben beim ersten Ansturm Richards von Aversa in wilder Flucht davon. Und die Deutschen, die vorher geprahlt, die normannischen »Räuber« auszulöschen, starben nun, umzingelt und schlecht bewaffnet, fast samt und sonders. Von Robert Guiskards Lanzenreitern, die nur notfalls hatten eingreifen sollen, in der Flanke gefaßt, fielen sie vermutlich bis auf den letzten Mann – indes der hl. Leo mit den Bischöfen zunächst noch auf der Stadtmauer stand und, nach alter Feldherrenart, zusah.
Es war die Katastrophe seines Lebens.
Zuletzt, als die Normannen schon das Kastell bestürmten, die Vorstadt bereits brannte, plünderten die Bürger von Civitate das päpstliche Gepäck, das des klerikalen Gefolges, ja, den mitgeführten Kirchenschatz und trieben Leo samt seinen Kardinälen vor die Stadt, wo ihm seine Gegner demutsvoll die apostolischen Füße küßten und ihn, auf den Knien liegend, an seine priesterliche Sendung erinnerten, während er ihnen jetzt die – vordem verweigerte – Kommunion gab. Freilich inhaftierten ihn die Sieger auch acht Monate in Benevent, bis zum Frühjahr 1054, bis kurz vor seinem Tode. 9
Die Apologeten aber wußten natürlich sofort, warum Leos antinormannische Politik so fürchterlich gescheitert, warum die teuflischen (doch immerhin gleichfalls katholischen) Normannen über den Stellvertreter Christi einen so überaus blutigen Sieg erringen konnten. Und der Biograph des Papstes setzte noch ein neues Mirakel in die davon doch überreiche Welt: den für seine Toten betenden Pontifex habe es getröstet, »die Leichen seiner Krieger unversehrt zu finden, während die Augen der toten Normannen von den Raben ausgehackt waren«. Und dann vollbrachten auch die hl. Blutzeugen, diese so verheißungsvollen Vorbilder künftiger katholischer Schlächter und Schlachtopfer, noch vom Himmel herab jahrzehntelang Wunder.
Und was tat Leo IX.?
Nachdem er alle Gefallenen seines Heeres, wahrlich genug Räuber und Mörder darunter, zu Märtyrern und Heiligen erklärt hatte, schickte »dieser allersanfteste Mann« noch in Benevent die Kardinäle Friedrich von Lothringen und Humbert von Silva Candida, seine nächsten Vertrauten, nach Byzanz und forderte Konstantin IX. Monomachos (1042–1055) auf, zusammen mit Heinrich III. und ihm die Normannen zu bekämpfen. In mehr als heidnischer Gottlosigkeit hätten sie nichts Heiliges geachtet, gegen die Kirche gewütet und die Christen erschlagen. Denn: »nicht am Willen, nur an der Macht fehlte es ihm, um den Krieg fortzusetzen ... Gewissensbedenken waren dem Papst fremd« (Steindorff). Behauptete er doch gar, entgegen der Wahrheit, ein persönliches Eingreifen des deutschen Kaisers in Unteritalien, ein Kriegszug gegen die Normannen, stehe unmittelbar bevor.
Nur ein Jahr später, im Juli 1054, kam es zum endgültigen Bruch zwischen der griechischen und der lateinischen Kirche. (Dabei ging es weit über das Dogmatische hinaus um tiefgreifende gesellschaftliche und kulturelle Gegensätze, vordergründig auch um rituellen Firlefanz. Außerdem verlangte Leo – unter entschiedener Berufung auf das gefälschte Constitutum Constantini (IV 391 ff.) – große Teile Süditaliens oder vielmehr alles, was Konstantin und seine Nachfolger der Kirche geschenkt!
Am 3. April besiegt und krank
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