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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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trägt, Speer, Schwert, Schild, der den Drachen tötet, mit Luzifer streitet, auch Feldherr (archistrategos) ist und die seligen Geister im endzeitlichen Kampf kommandiert. Ihm werden Siege über Griechen wie Slawen zugeschrieben, und auch auf dem Feldzeichen der Lechfeldschlacht (955), jener »großen Gabe der göttlichen Liebe« (V 435 ff., bes. 439), prangten sein Bild und Namen. Bis zu 800 Kirchen baute man ihm in Italien. So hatte Leo IX. den Wallfahrtsort, von dem aus auch der Bareser Meles (S. 115 f.) die Annexion Süditaliens propagiert haben soll, wohl richtig gewählt.
    Doch bereitete der Papst den Krieg, der seine Amtszeit dann so ruinös beschloß, seiner Heiligsprechung indes keinen Abbruch tat, durch weitere »religiöse« Aktionen vor. So stimulierte er am Palmsonntag, dem 19. März, im Kloster Monte Cassino, damals eine Art Vorposten gegen die Normannen, die ihn begeistert feiernden Mönche. Und eine ähnliche Visite führte ihn in das Gebiet von Atina.
    Noch deutlichere Akzente setzte Leo im Frühjahr 1050, als er die Beneventaner, die »Rebellen«, von neuem exkommunizierte und in Melfi, der Hauptstadt des normannischen Apulien, Partei für das Volk gegenüber den Eroberern ergriff; auch für den Klerus eintrat und das Kirchengut, versteht sich. Und im nächsten Jahr agitierte Leo erneut im Süden, wobei er durch die Normannen jede Bewegungsfreiheit erhielt – und war seinerzeit schon fest entschlossen, sie zu bekriegen, sie gemeinsam mit den Kaisern des Westens und Ostens, mit dem König von Frankreich samt der eigenen Soldateska auszurotten. Ihm fehlte nur noch die nötige Streitmacht.
    So reiste er im Sommer nach Worms zu Heinrich III., forderte die Abtei Fulda, andere Klöster und Orte zurück und gewann den Monarchen auch für seinen Kriegsplan. Und selbst als der Kaiser, gedrängt von seinem Kanzler Bischof Gebhard von Eichstätt, dem nächsten Papst, Viktor II., wieder Abstand nahm, die papale Eroberungspolitik verwarf, ließ sich Leo nicht irritieren. Er rief den heiligen Krieg aus – die pure Hirtenpflicht. Er tat alles, um den Angriff als Verteidigungskampf hinzustellen. Er rekrutierte mit eigenen Mitteln und der Hilfe seiner Verwandten Kriegsvolk in Deutschland: Söldner, Abenteurer, Landstreicher, teils von ihren Herren Abkommandierte, teils Beutelüsterne, die der hl. Truppenführer gar »gnädig und huldvoll« aufnahm, denen er Straffreiheit gab, Absolution von ihren Sünden avisierte, alles für die gute, allein seligmachende Sache -- faktisch schon ein Kreuzzugsablaß.
    Das Kontingent, zu einem nicht geringen Teil, wie auch der nicht unkritische Mönch Hermann von Reichenau verdeutlicht, ein Verbrecherhaufen, rückte im Februar 1053 nebst Papst und Friedrich, dem Kanzler der Kirche, über die Alpen, wo einerseits weiteres Militär, vor allem dann aus dem Kirchenstaat, dazustieß, andrerseits der kaiserliche Heerbann kraft Bischof Gebhards Intervention bald abberufen wurde. Auch Fürst Waimar IV. von Salerno, Herzog von Apulien und Kalabrien, opponierte der papalen Invasion, ja mischte sich zugunsten der Normannen ein, wurde aber meuchlings niedergestoßen und noch seine Leiche, aus Dutzenden von Wunden blutend, abscheulich malträtiert.
    Der hl. Leo, auch von neuzeitlichen Geschichtsschreibern als »Zierde des Heiligen Stuhls« gefeiert, als »ganz von den Idealen seines Berufes erfüllt«, zog indessen persönlich an der Spitze seiner Streiter gegen die Normannen. Zwar hatte es kriegerische Prälaten, selbst Päpste, schon vor ihm in großer Zahl gegeben. Doch er führte als erster Papst im Namen der Kirche Krieg. Er war der erste Papst, »der grundsätzlich seine Kriege aus der Religion herleitete, sie mit den Geboten der Kirche in Einklang brachte und den kriegerischen Geist des Heeres mit kirchlichem Sinn durchdrang« (Erdmann).
    Die Normannen, notiert der gelähmte Mönch von Reichenau, »baten um Frieden, versprachen ihm Unterwerfung und Dienstbarkeit und versicherten, sie wollten alles, was sie bisher unrechtmäßig sich angemaßt und an sich gerissen hatten, durch seine Belehnung und Huld behalten; der Papst lehnte das ab«. Schließlich erstrebte der Römische Stuhl Kampanien und Apulien schon seit den Tagen Karls des »Großen«. Auch war Leos Heer zahlenmäßig überlegen. Also ignorierte der Heilige die cluniazensischen Friedensbestrebungen, ignorierte den vom Kaiser propagierten »Gottesfrieden«, ignorierte dessen Truppenabzug, ignorierte auch sein eigenes, auf dem

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