Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
blutiges Treffen gegen eine thüringische Feldschar, worauf er den Rest des Jahres mit Überfällen auf königliche und bischöfliche Besitzungen in Sachsen verbrachte, unterstützt vom Sohn des Billungerherzogs Ordulf, des jungen Magnus (1072–1106). Doch mußten beide im folgenden Jahr kapitulieren. 9
Im Sommer 1073 aber durchflammte der Aufruhr Sachsen erneut.
Heinrich IV. hielt sich, wie schon sein Vater, bevorzugt in diesem Land auf, sei es zur Jagd oder zu Kirchenfesten oder wozu immer, was gewisse Belastungen mitbrachte (vgl. S. 97). Auch hatte er in Sachsen und Thüringen mit dem Ausbau von Burgen begonnen, und es war kaum zu verkennen, daß diese nicht nur gegen die Heiden, die Landesfeinde, dienen konnten, sondern auch der Zähmung, Verknechtung, Ausbeutung der Sachsen und Thüringer. Zudem hielt der König immer noch den Billunger Magnus auf der Harzburg gefangen, dessen Vater, Herzog Ordulf, schon im Frühjahr 1072 gestorben war, ohne daß Heinrich das erledigte Herzogtum wieder besetzt hätte. 10
Otto von Northeim hatte sich den Verschwörern zunächst noch nicht angeschlossen. Er wurde zu diesem Schritt aber von bischöflicher Seite gedrängt, und zwar durch keinen anderen als durch Hezilo von Hildesheim, der ihn ermahnte, »den Funken« zu pflegen und das »in glänzender Weise« zu tun, »was Du zu Hause weilend sehr deutlich gedroht hast ...«. Hezilo erklärt Otto, wie er seine Drohung zu vollenden habe, warnt ihn davor, nicht mitzumachen, und lockt ihn auch durch »gütige Versprechungen« des Bischofs Burchard II. von Halberstadt. Der Neffe Annos von Köln war einer der Anführer des Sachsenaufstandes, rebellierte jedoch aus keinem anderen Grund, sagt Lampert, »als aus Eifer für Gott und bloßer Rücksicht auf das allgemein Beste«. Dabei hatte er erst wenige Jahre zuvor einen Heereszug gegen die Liutizen kommandiert und wiederholt Gunsterweise Heinrichs IV. empfangen.
Herzog Otto stimmte indes bald in die Vorwürfe der Sachsen ein, bezichtigte den König, ihnen »das Joch härtester Knechtschaft« auferlegt, Zwingburgen gebaut, »auf jeden Berg« Besatzungen geworfen, die Frauen und Töchter der Sachsen öffentlich seinen Truppen zur Wollust preisgegeben zu haben, ja, ganz Sachsen »durch unerhörte Erfindungen und von keinem christlichen Mund auszusprechende Verbrechen geschändet«. Alles laut Lampert von Hersfeld freilich, dem zufolge der König »nach der Ausrottung des ganzen sächsischen Stammes lechzte«.
Die Empörer, unter denen auch die Prälaten einen feierlichen Eid gegen Heinrich geschworen, rüsteten fast vor den Augen des Ahnungslosen, der einen Feldzug gegen Polen befohlen hatte und die Umtriebe der Rebellen für Vorbereitungen darauf hielt. Offenbar peinlich überrascht, verlegte er die Hofhaltung von Goslar auf die weit sicherere Harzburg, wo ihn bald ein größeres Heer einschloß und er sich nur fliehend in Verkleidung und bei Nacht mit wenigen Getreuen samt den – bereits vorausgeschickten – Reichsinsignien retten konnte. Auch die Bischöfe von Minden, Münster, Paderborn fielen jetzt anscheinend offen von ihm ab, während ihn die von Zeitz und Osnabrück, Eppo und Benno, begleiteten und berieten. Doch fand er wenig Freunde. Auch die süddeutschen Fürsten verweigerten sich, und eine schwere Krankheit suchte ihn heim.
Da öffneten ihm die Bürger von Worms, die ihren Oberhirten Adalbert vertrieben, die Tore, eine immerhin reiche, stark befestigte Stadt, wo er Hilfe fand, Truppen sammelte, die Wormser belohnte, vom Zoll befreite und ihr Verhalten (und seines) den anderen Städten anpries. In Sachsen, in Thüringen belagerte man inzwischen weiter Heinrichs Burgen, hungerte aus, bestach, eroberte, verwüstete. Und schließlich zog der König mit einem Heer samt einer ganzen Anzahl von Bischöfen bei übergroßem Frost, der alle Flüsse in Eis verwandelte, nach Thüringen und schloß im Februar 1074 mit den Rebellen in Gerstungen einen Kompromißfrieden, der ihn zur Vernichtung seiner Burgen verpflichtete, derenthalben er nicht zuletzt den Krieg begonnen hatte. 11
Am schwersten fiel ihm die Schleifung der Harzburg. So ließ er lediglich die Mauern niederreißen, was den Sachsen freilich mißfiel, ihren ganzen Argwohn weckte, ihre Wut. Ohne Absprache mit ihren Großen drangen sie in die Harzburg ein, ruinierten die noch stehenden Mauerreste, auch alle übrigen Gebäude einschließlich der Kirche, zerstörten sogar die dortigen Fürstengräber, in denen Mitglieder des
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